Nur Linke würden Kriegsverbrecher rehabilitieren

Seit bereits über einem Monat kann man – freilich nur, wenn man mehr liest als lediglich die Schlagzeilen – in den Zeitungen auf eine Debatte über die Rehabilitierung von Kriegsverbrechern während der NS-Zeit stoßen. Worum geht es dabei?

Nun, während der Nationalsozialismus bestimmend war für deutsche Politik (hey, mit soviel Euphemismus kann ich mich glatt bei der US-Army bewerben!), war die Gesellschaft ja bekanntlich stark militarisiert. Man erinnere sich nur an das Wort “Heimatfront”. Dies ging allerdings einher mit einer Glorifizierung der Wehrmacht – wobei man unter Glorifizierung etwas anderes verstehen kann als man es heutzutage tun würde, nämlich das Herausstellen sog. männlicher Werte wie Tapferkeit, Solidarität, Zusammenhalt und Ähnliches. In dieses Bild passten aber recht viele Menschen nicht – seien es nun Leute, die Kriegsgefangenen oder Juden halfen, oder auch Soldaten, die “falsche” Dinge in ihr Tagebuch schrieben oder gar denunziert wurden. Im folgenden zitiere ich mal einige der Fälle, um die es hier geht.

Johann Lukaschitz
Der Obergefreite Johann Lukaschitz, geboren 1919 in Wien, leistete seinen Dienst in einer Panzerabteilung an der deutsch-russischen Front. Weil er die geplante Gründung eines Soldatenrates, von dem er erfahren hatte, nicht meldete, wurde Lukaschitz zum Tode verurteilt. Am 11. Februar wurde er in einem Zuchthaus in Halle an der Saale mit dem Fallbeil hingerichtet.

Adolf Pogede
Der Obergefreite Adolf Pogede, 1896 geborener Sohn einer Arbeiterfamilie, unterhielt in Frankfurt an der Oder Kontakt zu sowjetischen Kriegsgefangenen und wurde von einem von ihnen denunziert. Am 14. Juli 1944 verurteilte das Reichskriegsgericht Pogede wegen Kriegsverrats zum Tode. Einen Monat später wurde er mit dem Fallbeil hingerichtet.

August Fiereck
Weil er mit einem serbischen Kriegsgefangenen Karten gespielt hatte, wurde der Schütze August Fiereck, geboren 1907 in Münster, als Kriegsverräter das Opfer der NS-Militärjustiz. Am 30. November 1943 verurteilte ihn das Reichskriegsgericht zum Tode.

Michael Fries
Der Grenadier Michael Fries, Sohn eines Bäckers aus der Oberpfalz, hatte sich 1930 der KPD angeschlossen. Auf dem Frankreichfeldzug traf er 1942 mit einem kommunistischen deutschen Emigranten zusammen, wurde denunziert und wegen “Vorbereitung kommunistischen Hochverrats” und “landesverräterischer Feindbegünstigung” vom Reichskriegsgericht zum Tode verurteilt.

Josef Salz
Wegen kritischer Tagebucheinträge wurde der Stabsgefreite Josef Salz am 8. Februar 1944 in Stettin als Kriegsverräter zum Tode verurteilt – und noch am selben Tag erschossen. “So ergeht es jedem, der dem Führer die Treue bricht”, hieß es in der Begründung eines Generals.

Quelle: Wolfram Wette/ Detlef Vogel: Das letzte Tabu. NS-Militärjustiz und Kriegsverrat. Aufbau-Verlag 2007.

Man sieht also, es geht um recht banale Dinge. Allerdings war man bisher recht vorsichtig, auch diese Menschen zu rehabilitieren – zwar wurden 2002 unter Schröder Urteile gegen Deserteure und Kriegsverweigerer aufgehoben, Urteile gegen Kriegsverbrecher wurden allerdings bestehen gelassen. Schließlich wollte man ja nicht Leuten, die ihre Kameraden verraten hatten, verzeihen. Intiativen dazu gab es bisher vor allem von der Linken – zu diesen wollte die SPD aber Distanz wahren.
In oben verlinkten Spiegelartikel wird der ehemalige Verfassungsrichter Hans Hugo Klein mit Folgendem zitiert:

Der Paragraf zum Kriegsverrat im Militärstrafgesetzbuch der Nazis sei mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar gewesen, heißt es darin. Die Nazi-Juristen hätten den Tatbestand viel zu vage formuliert, gleichzeitig habe das Gesetz bei Verurteilung zwingend die Todesstrafe vorgegeben. Insgesamt habe das Gesetz zum Kriegsverrat fundamental gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsprinzip verstoßen, so Klein.

Auch Verteidigungsminister Jung soll Frau Zypries in einem Brief geschrieben haben,

dass es in Sachen Gesetzesänderung in rechtlicher Hinsicht “von hier aus keine Vorbehalte dagegen gibt”. Dies bestätigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums SPIEGEL ONLINE. Bisher hatte das Ministerium eine pauschale Aufhebung der Kriegsverratsurteile abgelehnt.

Nun gibt es allerdings endlich einen neuen, von Linken und Grünen forcierten, Antrag, weiß die taz zu berichten. Diesen sollen bisher unter anderem der FDP-Abgeordnete Konrad Schily, Gerhard Wächter (CDU) sowie Hans Heinrich Jordan (CDU) unterschrieben haben. Ingesamt 138 Unterschirften solle man schon beisammen haben. Der CDU steht also endlich eine parteiinterne Debatte bevor, sie muss sich Nationalismusvorwürfe anhören wie einst die SPD Sozialismusvorwürfe, und sie muss sich stärker an der Mitte ausrichten?

Nicht ganz; und ermöglicht wird dieses gute Abschneiden der CDU trotz der Zweifel am eigenen Kurs wahrscheinlich durch die SPD. Diese unterstützt diesen Entwürf zwar grundsätzlich, auch wenn sie während ihrer eigenen Regierungszeit das Thema Kriegsverbrecher eher ausgeklammert hat, und namhafte Politiker wie Wolfgang Thierse, Stephan Hilsberg (ehemaliger DDR-Bürgerrechtler), Andrea Nahles, Sebastian Edathy sowie Hans-Peter Bartels unterstützen diesen auch; nur haben einige die eigene Fraktion dazu aufgefordert gegen diesen Antrag zu stimmen. Das Argument ist bestechend einfach und brilliant – man will ja nicht mit einer Rot-Rot-Grünen Mehrheit den falschen Eindruck erwecken. Dann doch lieber durch das schützen von NS-Urteilen den falschen Eindruck erzielen, gell? Lieber Distanz-Wahlkampf als Inhalte und Überzeugungen, so gewinnt man Stimmen am linken Rand und hält den rechten. Liebe SPD, manchmal bin auch ich noch verwundert und überrascht; aber letztlich singe ich dann doch einfach immer diese Lied (und das als Sozialdemokrat, Grüner und Linke-Skeptiker):

Naja, ich tröste mich dann aber damit, dass es letztlich doch eine ganze Reihe von Sozialdemokraten mit Rückgrat gibt. Immerhin.

 

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