SPD am Ende

Na gut, besonders kreativ ist der Titel ja nicht gerade, und auch nicht besonders neu. Der SPD gehts halt schlecht, man wählt also lieber was anderes, um eine große Koalition zu verhindern und um der Linken eine stärkere Präsenz zu ermöglichen. Und so. SPD? Wer wählt schon Verlierer? (einen weiteren Grund, der gegen die SPD spricht, habe ich ja bereits vor einiger Zeit erwähnt, aber ich verkneife mir jetzt mal das Lied…)

Wie siehts momentan aus?
Laut der ARD düster für die Sozialdemokraten: Schlappe 23% würden sie wählen. Das sind zwar mehr, also die zeitweise als Gerücht kursierenden 20%, aber immer noch weniger als das bisher schlechteste Ergebnis von 1953 mit 28,8%. Die Union liegt bei 35%, die FDP bei 16% (macht also 51%), während Grüne und Linke bei 13% und 10% bleiben. Das Ergebnis der SPD war vor kurzem noch einmal abgesackt, nach der Dienstwagenaffäre Frau Schmidts dümpelte sie bei den bereits erwähnten 20% herum. Was macht die SPD nur falsch?

Dabei ist das Urteil über die Arbeit der großen Koalition nicht einmal so schlecht.
57 Prozent der Befragten meinen, alles in allem habe sie gute Arbeit geleistet. Der Regierungspolitik der Union wird ein noch besseres Zeugnis ausgestellt, 62 Prozent beurteilen sie als gut. 49 Prozent äußern sich positiv über die elf sozialdemokratischen Regierungsjahre. Trotz dieser durchweg freundlichen Bewertung bevorzugen mehr Wähler schwarz-gelb als schwarz-rot. Stellt man die beiden wahrscheinlichsten Regierungsbündnisse gegeneinander zur Abstimmung, so entscheiden sich 47 Prozent für eine Koalition aus Union und FDP und nur 43 Prozent für eine Wiederauflage der großen Koalition.

Stellt sich nur die Frage, wieso dies so ist. Manche werden sich wohl wünschen, dass der mittlerweile eher unbeliebte Schäuble durch einen Liberalen ersetzt wird, doch das bewirkt noch nicht, dass man eine Partei wählt, deren Ideen wohl durch die Finanzkrise als falsch angesehen werden dürften, vor allem, da die überwiegende Deutung der Finanzkrise eher in die Richtung “zu wenig Staat” als “zu viel Staat” als Ursache ging. Wieso wählt man also eine Partei, die grundsätzlich gegen jede Einmischung des Staates in die Wirtschaft und auch gegen Regulierungen ist?

Eine Antwort darauf dürfte sein, dass die FDP sich da gewandelt hat. Man ist zwar noch immer liberal, aber man stellt sich hinter eine “soziale Marktwirtschaft” und spricht sich gegen einen “Kasinokapitalismus” aus (hach, hübsches Wort) – schließlich sei ja die deutsche Regierung “Dax-hörig”, wie Herr Westerwelle so schön amerkte. Man kann also nicht alleine für die Krise verantwortlich machen, im Gegenteil, man kann wunderbar allen anderen die Schuld geben, vor allem, da die FDP schon lange nicht mehr an der Regierung war und daher direkt nicht so leicht belangt werden kann. Darüber hinaus hat die Oppositionzeit der FDP sichtlich gut getan – selten konnte man so oft liberale Bürgerrechtler hören, selten trat man so selbstbewusst auf. Wenn die FDP dann man verhindert, dass Merkel sich rechtfertigen muss für das Vorgehen bei der HRE – in den Medien wird das nicht großartig breitgetreten, man macht an anderen Stellen Opposition so gut es geht. Auch anderswo weiß die FDP zu punkten – ihr Konzept einer vereinfachten Steuer, of nun durchsetzbar und finanzierbar oder nicht, hat für jeden einen gewissen Reiz, der sich schonmal durch eine Steuererklärung kämpfen musste. Und ansonsten sind die Grünen die, die man wählt, wenn man Bäume will, die SPD hat man gewählt, wenn man Arbeitsplätze wollte, und die FDP wählt man, wenn man die Wirtschaft retten will. Die haben halt irgendwo irgendwie was mit Wirtschaft zu tun, das gehört zu ihrem Image – dies aber im Wahlkampf als “Bonzennah” auszuschlachten, dazu ist gerade die SPD dank ihrer eigenen Nähe zu Wirtschaftsverbänden und dank der Selbstporträtierung auch der FDP als Mitelstandspartei nicht fähig.

Aber zurück zur SPD selbst.

Die Bewertung des Deutschland-Plans, den der SPD-Kanzlerkandidat in dieser Woche vorgestellt hat, fällt zwar sehr viel positiver aus als die Resonanz in den meisten Medien. An der Stimmung vermag das Programm allerdings nichts zu ändern. 76 Prozent der Befragten sind der Ansicht, die SPD habe mit ihrem Plan eine wichtige Diskussion angestoßen und 68 Prozent stimmen zu, dass die Partei mit dem Plan deutlich gemacht habe, “für welche Ziele sie steht”. Allerdings halten dennoch 73 Prozent der Befragten die genannten Ziele für “unrealistisch”.

Gleichwohl hat die SPD mit diesem Plan das aus Sicht der Befragten derzeit wichtigste politische Thema besetzt. Arbeitsplätze zu sichern, sei die wichtigste politische Aufgabe der nächsten vier Jahre, sagen 33 Prozent der Befragten. 22 Prozent halten es für am wichtigsten, Wirtschaftswachstum zu schaffen, und für 19 Prozent steht ein gerechteres Steuersystem ganz oben. Das Problem der Sozialdemokraten ist, dass sie auf allen genannten Politikfeldern derzeit miserable Kompetenzwerte vorweisen.

Der Deutschlandplan entstand wohl aus dem Wunsch heraus, nicht mehr die einzige linke Partei zu sein, die “Dinge” verspricht. Und wenn die vergleichweise pragmatischen Grünen eine Million neue Arbeitsplätze schaffen wollen (was mehr als nur bereits gewagt ist), dann will die SPD doch gleich die Linke mit übertrumpfen und satte vier Millionen Arbeitsplätze schaffen. So auf Vorrat, ist ja Wirtschaftskrise, da werden bestimmt noch ein paar Arbeitsplätze frei. Ein Ziel scheint sie damit zu erreichen – nämlich ihr Profil zu schärfen.

Danach gibt es gegenwärtig rund 8,7 Millionen Wähler, die noch unentschlossen sind und sich bisher nicht festgelegt haben. Unter diesen stellen die ehemaligen SPD-Wähler knapp 2,7 Millionen, die mit Abstand größte Gruppe. Und unter den erklärten Nichtwählern gibt es rund 800.000 weitere ehemalige SPD-Wähler. Das sind zusammen 3,5 Millionen Menschen, die zumindest theoretisch mobilisierbar sind. Das vergleichbare Reservoir ist bei der Union mit rund 2,2 Millionen sehr viel kleiner.

Aber wenn die SPD wie anno dazumal gegen Ende hin noch Wähler mobilisieren wollen, dann muss noch sehr viel passieren – Schröder war schließlich kein Steinmeier. Schröder konnte provozieren und mobilisieren – dass das für ihn nicht unmöglich ist, das hat Steinmeier nun mit dem Deutschlandplan bewiesen. Aber wie sieht es aus mit der geradezu legendären Medienpräsenz des Altkanzlers, der sogar “Medienkanzler” genannt wurde, und zwar von ebenjenen Medien, die für seine Wahl mit verantwortlich waren? Ein Spitzname im übrigen, der auch das seine dazu beigetragen hat, dass soviele damals SPD gewählt haben. Schröder konnte damals in der Bild provozieren, von Stern wurde er als der richtige Mann in der falschen Partei bezeichnet, der Spiegel hatte zumindest Sympathien für ihn, die taz, die so wichtig ist für die “linkere” intellektuelle Szene sprach sich zumindest vehement gegen eine Kanzlerin Merkel aus; lediglich die FAZ hielt als Flaggschiff einer konservativ-intellektuellen Szene an ihrer Unterstützung für die CDU fest. Schröder ging ein und aus in Talkshows; wenn ihm einmal ein Auftritt verweigert wurde, dann wurde zumindest DARÜBER berichtet in Printmedien. Man könnte also sagen dass die ganze Kampagne damals mehr oder weniger eine oneman-show Schröders war, die er quer durch alle Medien durchgezogen hat.

Und wie sieht es momentan aus? Die SPD macht Schlagzeilen durch die Dienstwagenaffäre Ulla Schmidts. An sich gibt es tragischere Sachen – aber es bestätigte doch alle bösen Geschichten über die SPD, Abgehobenheit von “kleinen Mann”, misslungene Gesundheitsrefom, wasweißich was noch. Und der Deutschlandplan war mehr eine Erklärung, dass die SPD sich noch um Deutschland und um seine soziale Seite kümmert – aber eine wirkliche neue Identität konnte er nicht erfinden. Das wird aber gerade in Zeiten nötig, in denen die kleinen Parteien durch recht “spezielle” Parteiprogramme Stimmen dazugewinnen. Ist die SPD nun sozialdemokratisch in dem Sinne, dass sie es nur schade findet dass der Sozialismus nicht funktioniert und darum lieber den Kapitslismus so sozial (und demokratisch) wie möglich gestalten will? Oder ist sie einfach nur Nachfrageorientiert was ihre Wirtschaftspolitik angeht? Orientiert sie sich am langsam untergehenden Stern der Gewerkschaften? Oder tritt sie dem Klimawandel entschieden entgegen? Ist sie vielleicht eine Intellektuellenpartei, die letztlich nur die entscheidenen Impulse für eine rot-rot-grüne Regierung geben will, die sie nun akzeptiert?

Möglicherweise ist sie einfach nur Sozialdemokratisch im Sinne eines Sozialismus im demokratischen Gewand, sie tritt für Klimapolitische Ziele ein, die den Grünen ähneln, aber weniger wahrscheinlich alte Arbeitsplätze gefährden, und sie macht sich für Projekte wie den Mindestlohn stark, ohne zu wirtschaftsfeindlich zu sein wie die Linke, gemäß dem Motto, wir würden ja gern 10 Euro Mindestlohn haben, aber lieber investieren wir in Entwicklungshilfe in Afrika. DAS könnte die SPD alles verkörpern und auch gut verkaufen – aber auf die Grünen nimmt man Rücksicht (danke, kann ich da nur als Grüner sagen, war wirklich nicht nötig) und die Linke ignoriert man lieber, während viele Intellektuelle und enttäuschte SPDler sich ihr langsam zuwenden. Und was ist mit der Jugend? Die Jusos wurden lange nicht wirklich ernst genommen, und jetzt scheint man in eine Art Torschlusspanik zu verfallen, wenn man an die Zeit nach Steinmeier denkt. Na toll, liebe SPD – und wenn ihr mal echt in der Klemme steckt, ruft mich doch an. Ich helfe gerne, und schlechter kann mans ja kaum machen.

 

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