Dumme, Destabilisierende Drohnen

Pakistan protestiert gegen die Tötung eines Talibananführers durch US-Drohnen – mal wieder. Das Land ist nicht gerade dafür bekannt, gegen die Taliban vorzugehen. Trotzdem hat es diesmal Recht.

Seit mehr als 12 Jahren bekämpfen die USA, die NATO und die Weltgemeinschaft (es gibt ein UN-Mandat!) die Taliban. Und ebenso lange steht fest, dass eine militärische Lösung alleine nichts bringen wird. Es braucht wirtschaftliche, gesellschaftliche, vor allem aber politische Lösungen, um Frieden zu schaffen und zu erhalten. Wer das aber erreichen will, der kommt an Pakistan nicht vorbei.

Die USA haben ein politisches Problem: Sie können mit kaum einem Staat in der Region kooperieren. Russlands Einfluss reicht bis nach Tadschikistan, die Kooperation ist wenig verlässlich. China kommt kaum in Frage. Pakistan spielt sein eigenes Spiel und fühlt sich nicht ernst genommen mit seinen Sorgen – die den Erzrivalen Indien betreffen, weswegen die USA auch schlecht mit Indien kooperieren können (denn dann könnte ja die US-Pakistanische Allianz zerbrechen). Und der Iran ist ganz ganz böse.

“boots on the ground” vs Drohnen

In den letzten Jahren haben sich zwei Hauptstrategien im Umgang mit zerfallenden Staaten und Terrorismus herauskristallisiert: Man kann entweder einen vollen Militäreinsatz (“boots on the ground”) durchführen, oder durch punktuelle Operationen paramilitärische Gegner schwächen und eine genehme Regierung gegen ihre Angriffe schützen.

Der Einsatz in Afghanistan hat mit einem Militäreinsatz angefangen, der aber schnell ausgeweitet werden musste, um die Vorteile dieser Strategie auszunutzen: Durch viele Soldaten vor Ort können Ortschaften besser geschützt und zivile Opfer vermieden werden. Der Nachteil sind die extrem hohen Kosten und der begrenzte Radius; die Soldaten können nicht in das Territorium eines souveränen Staates vordringen, selbst wenn der Gegner sich dort versteckt.

Genau das passiert in Afghanistan/Pakistan, die AfPak-Region ist Rückzugsraum für militante Gruppen. Und gleichzeitig müssen die USA Truppen abziehen; die Kriegsmüdigkeit nimmt zu und die Kosten werden langsam untragbar. Darum steigt man jetzt auf eine andere, kostengünstigere Methode um: Drohnen, die wichtige Personen töten sollen. Das gibt gute Publicity zu Hause und vielleicht wird es den Gegner ja sogar schwächen.

Es gibt keine “Taliban”

Letzteres ist bisher gescheitert. Für Beobachter ist unklar, wer wieviel zu sagen hat in der Struktur der Taliban, aber wenn man sich Berichte aus der Zeit vor 2001 anschaut und dann die Entwicklung betrachtet, lässt sich folgendes vermuten: Es gibt eine zentrale Führung, aber ihr Einfluss ist begrenzt. Grund dafür ist, dass “die Taliban” unzählige Gruppierungen umfasst, unter anderem mehrere Gruppen, die sich Taliban nennen (siehe pakistanische Taliban und afghanische Taliban), dazu internationale Terroristen, Al Qaida, andere islamistische Parteien und kriminelle Banden aus dem Drogenmilieu.

Da sie außerdem in einem sehr großen Gebiet operieren, ist es wahrscheinlich, dass es sehr, sehr viele Führungspersonen gibt – eine einzelne auszuschalten dürfte also einen eher geringen Effekt haben. Bestenfalls führen die Drohnenangriffe zu einer Zersplitterung, wahrscheinlich ist ist Haupteffekt aber die Kriegsmüdigkeit der Zivilbevölkerung (und ein Zorn, der sich gegen die USA richtet).

Dafür hat es einen sehr eindeutigen Nachteil: Wer wichtig genug ist, um getötet zu werden, ist auch wichtig genug, um Frieden schließen zu können. Eine zentralisierte Organisation ist effektiver und gefährlicher, man kann mit ihr aber auch leichter Frieden schließen. Wenn man sie aber zersplittert, erschwert das Verhandlungen.

Schlimmer noch: Wenn gerade Verhandlungen mit einer Gruppe geführt werden, aber dann ihr Anführer stirbt, dann gibt es kaum Chancen, dass diese Gruppe sich entwaffnet. Und wenn Anführer von Zellen getötet werden, überlegen andere Gruppen es sich gut, bevor sie die Waffen niederlegen.

“commitment to peace” – Dilemma

Was die USA also erreichen, ist vielleicht eine leichte militärische Schwächung der Taliban. Dafür erschweren sie aber eine politische Lösung in Form von Friedensverhandlungen. Und die braucht es, denn offensichtlich sind sie nicht in der Lage, die Taliban endgültig zu besiegen. Anstatt das aber zu erkennen, brüskieren sie einen anderen wichtigen Ansprechpartner für Friedensverhandlungen, Pakistan. Natürlich kann man die Taliban nicht ohne Angriffe auf pakistanischem Boden militärisch bekämpfen, aber der Versuch ist schon lange gescheitert, dafür kamen die Drohnen schlicht zu spät; jetzt müsste es um Verhandlungen gehen, die aber durch Drohnen torpediert werden.

Die USA müssen umdenken. Karsai hat schon damit angefangen: Neben Kooperationen mit westlichen Staaten hat er mit Indien und den Iran Gespräche geführt. Im Friedensprozess ist er auf Pakistan zugegangen. Dumm nur, dass seine Initiativen kaum Gewicht haben, dazu bräuchte er diplomatische Rückendeckung aus Washington. Und da sind Drohnenangriffe kontraproduktiv.

Ein symbolisches Ende der Drohnenangriffe auf Zeit – beispielsweise 3 Monate – würde jedenfalls Raum schaffen, zu verhandeln und guten Willen zu beweisen. Ein absehbares Fortsetzen der Angriffe würde außerdem den Druck auf Pakistan und die Taliban erhöhen. Man könnte Drohnen auch ersetzen durch einen pakistanischen Militäreinsatz auf seinem eigenen Gebiet; aber Pakistan wird das nicht machen, außer, der Friedensprozess scheitert grandios. Aber solange die USA weiter Drohnen schicken, wird der Prozess gar nicht erst anlaufen. Und Amerika wird auf absehbare Zeit keinen vollständigen Abzug aus der Region schaffen.

 

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One thought on “Dumme, Destabilisierende Drohnen”

Juhu! Jemand, der nicht bei facebook kommentiert! Oldschool!