Obama hat wohl meinen Blog gelesen und sich die Kritik zu Herzen genommen, jedenfalls hat die die Kritik beherzigt und sich auf einen Deal eingelassen, um einen Militärschlag in Syrien zu verhindern. Assad gibt Chemiewaffen ab, Obama nimmt den Finger vom roten Knopf. Und nun?
Zuletzt war ich von zwei Dynamiken in Syrien ausgegangen: Eine Machtverlagerung, oder ein Machtverlust in der Peripherie findet statt, von dem Nachbarstaaten wie die Türkei mittelfristig profitieren. Das, kombiniert mit der Drohung einer Invasion, erschwert Friedensverhandlungen und führt dazu, dass das Regime auf “alles oder nichts” setzt, also der Opposition so schnell wie möglich so viel Schaden wie möglich zufügen möchte. Mit dem Ziel, entweder einen Angriff zu überstehen ohne einen regime change, oder einen Angriff sogar abzuwenden (weil es dann keine Opposition mehr gäbe, für die es sich lohnen würde, einzugreifen).
Überlegene russische Diplomatie rettet Obamas Friedensimage
Jetzt gab es aber eine ziemlich geniale Veränderung. Kerry sagte, ein Militärschlag könne natürlich verhindert werden – wenn Assad Chemiewaffen aufgebe. Aber das werde er eh nicht tun. Zeit für einen Geniestreich Assads (und wohl Russlands): Natürlich werde man das tun. Also die Chemiewaffen kontrolliert zerstören lassen oder aufgeben.
Damit hat er erfolgreich eine US-Intervention verhindert, den Focus der internationalen Gemeinschaft von Syrien wegverlagert, und das alles zu einer Zeit, in der es auch militärisch einigermaßen läuft. Chemiewaffen bringen ja eh nicht allzuviel gegen Milizen und Guerillas. Die Chemiewaffen wurden letztlich eher lästig als nützlich; was, wenn sie in die falschen Hände fielen? Oder zu einer Intervention geführt hätten? Dann lieber weg damit, um Geostrategie (der einzige Grund FÜR Chemiewaffen) geht es Assad schon lange nicht mehr.
Putin kann sich ebenso freuen. Einen Krieg verhindern, das ist nie schlecht für das internationale Image; und das zu einem Zeitpunkt, zu dem er beschlossene Sache schien. Dabei hat man einen wichtigen Verbündeten gestützt, jetzt kann es Verhandlungen geben, aus denen Assad immer noch als wichtiger Player (wenn nicht weiterhin Präsident) in Syrien hervorgehen kann.
Ohne die Waffe vor dem Kopf verhandelt es sich gleich besser
Jetzt ist der Weg frei für Verhandlungen. Gut, daran werden wohl nicht alle teilnehmen, die Opposition könnte sich (weiter) spalten. Schon lange nehmen Konflikte zwischen “Islamisten”, “Liberalen” und “Kurden” zu (die Beschreibungen sind oft willkürlich und scheinen die Komplexität nicht annähernd zu erfassen). Aber: Die Opposition konnte zu keinem Zeitpunkt für alle bewaffneten Gruppen sprechen und den Krieg beenden.
Friedensverhandlungen stehen und fallen mit der Bereitschaft Assads, zu verhandeln. Und die könnte jetzt gegeben sein, wo es nicht mehr ums blanke Überleben geht, sondern um Schadensbegrenzung. Weder Russland noch Assad brauchen einen Präsidenten Assad; es liegt aber in ihrem Interesse, dass das System nicht zu sehr verändert wird, dann nämlich würden sie Kontrolle verlieren. Und letzteres dürfte vom Tisch sein, denn wer würde das Regime komplett stürzen?
Wenn es bei dem geplanten Treffen in Genf zu Fortschritten kommen sollte, wäre der Krieg natürlich noch lange nicht vorbei. Zunächst würde es darum gehen, die Opposition politisch in das System einzubinden und einige ihrer Forderungen zu erfüllen. Damit könnte man den “großen” Krieg für beendet erklären; das kann aber noch Jahre dauern.
Wer Waffen hat, behält sie gerne
Noch länger wird es dauern, alles bewaffneten Gruppen zu einem Waffenstillstand zu bewegen. Erfahrungen in anderen Regionen zeigen, wie schwer Demobilisierung ist. Denkbar wäre eine gestückelte Taktik: Sobald die “große” Opposition befriedet ist, würde sich das Regime um Waffenstillstände und lokale Abkommen, aber auch Offensiven gegen einzelne Milizen kümmern. Langsam würde es dann Territorium zurück unter seine Kontrolle holen, freilich nicht mehr so zentralistisch wie vor dem Bürgerkrieg.
Die Peripherie würde sich also weiterhin lösen, Teilautonomien wären denkbar. Aber natürlich nur, wenn das Regime auch wirklich komromissbereit ist und nicht denkt, nun könnte es durch Gewalt alleine gewinnen. In dem Fall steht uns eine weitere Gewalteskalation bevor, aber diesmal mit einem geringeren Interesse der USA und ihrer Verbündeten, die Opposition zu stützen.