Guten Ideen im Nahen Osten

Wer hätte das gedacht – nach einigen sehr peinlichen Aktionen auf beiden Seiten (und insbesondere auf israelischer bzw Netanjahus Seite) und monatelangen Problemen (Gazaflotte, Weiterbau von Siedlungen, idiotischer Außenminister) gibt es nun doch einige, die sich irgendwie nachvollziehbar und vernünftig verhalten. Drei Beispiele dafür.

Dass die PLO das Existenzrecht Israels anerkennt, ist seit 1993 nichts neues mehr. Oft genug wurde das nun in Erklärungen und Reden bestätigt; lediglich die Charta der PLO wurde bisher nicht dahingehend geändert. Trotzdem ist das, was Mahmud Abbas nun in Washington von sich gab, eine Neuheit was die Klarheit dieser Anerkennung und den Ton angeht:

Wenig später, beim Abendessen des „S. Daniel Abraham Center für Middle East Peace“ versicherte er erneut, niemand bestreite „die jüdische Geschichte im Nahen Osten“, und als er am nächsten Tag von einem Journalisten auf diese Äußerung angesprochen wurde, antwortete er nur: „Ja, das habe ich gesagt.“ Im Übrigen stünde diese Sichtweise auch mit dem „heiligen Koran“ in Einklang.

[…]

In Jerusalem wird man aufgehorcht haben, als Abbas bei einer Forumsveranstaltung der „Brookings Institution“ ankündigte, er sei bereit, Nato-Truppen in einem zukünftigen Palästinenserstaat zu dulden, um dem israelischen Volk „ein Gefühl der Sicherheit in ihren Häusern“ zu geben. Beim gemeinsamen Abendessen sei außerdem sehr deutlich geworden, dass Abbas kein Problem mit der israelischen Forderung nach einem entmilitarisierten Palästinenserstaat habe, sagte der Chef des „S. Daniel Abraham Center for Middle East Pecae“, Robert Wexler.

Abbas machte deutlich, dass ein Friedensvertrag „alle Forderungen“ beenden müsse. Auch die Frage des Rückkehrrechts der palästinensischen Flüchtlinge müsse „einvernehmlich“ gelöst werden.

Während Abbas erneut bekundete, es sei keine Lösung denkbar, die nicht Ost-Jerusalem als Hauptstadt Palästinas einschließe, machte es ihm keine Schwierigkeiten anzuerkennen, dass „West-Jerusalem die Hauptstadt Israels ist.“

Anerkennung eines Israels mit Westjerusalem als Hauptstadt, Natotruppen auf dem Boden eines entmilitarisierten Palästinenserstaates, dazwischen die Forderung nach Ostjerusalem als Hauptstadt und die Klärung der Flüchtlingsfrage – offensichtlich ohne auf ein unbedingtes Rückkehrrecht mit Entschädigung zu bestehen – ja, was fehlt denn da noch für einen Frieden, jedenfalls was das Einlenken der PLO angeht? Netanjahu selbst hat das alles gefordert – gut, zusätzlich wollte Netanjahu noch Jerusalem als ungeteilte Hauptstadt Israels und einiges mehr, aber darüber lässt sich reden, mal davon abgesehen dass diese Maximalforderungen unvernünftig, populistisch und für keinen palästinensischen Präsidenten tragbar sind, der irgendwie sein Gesicht wahren möchte,

Die anderen Punkte stehen beide im Kontext des Angriffs auf die Gazahilfsflotte – beginnen wir mit einer besonders witzigen Idee, die ich da gefunden habe:

Israeli students are planning a “peace flotilla” to Turkey with humanitarian aid for nations who suffered under Turkish imperialism – the Kurds and Armenians. The initiative comes in response to the world’s sharp criticism of Israel’s lethal raid on the Gaza flotilla which left nine activists dead and many wounded.

[…]

We are sure that they won’t care if we sent humanitarian aid. It’ll be a peace flotilla without the knives or stones that hurt IDF soldiers, without violence, which is intended for all those oppressed by the Turkish government.

“If (Prime Minister Recep Tayyip) Erdogan’s heart is where his mouth is, which we all know isn’t so, he has no reason to prevent the flotilla from arriving.”

Also endlich eine Aktion, die auf die Probleme der türkischen Minderheiten aufmerksam macht und die Türkei etwas unter Druck setzt in der Hinsicht. Ich bezweifle nur, dass die Türken das allzu sehr zur Kenntnis nehmen werden – schließlich werden die Kurdengebiete nicht blockiert. Aber hey – das Thema wieder aktuell zu machen ist stets gut. Dummerweise wird das aber, wenn überhaupt irgendwem, dann Erdogan helfen – er ist es schließlich, der am ehesten für Dialog mit den Minderheiten steht.

Zu guter letzt noch einige Worte zur Kadima. Einem recht interessanten Text der KAS wird das Verhalten der Kadima bzgl des Blockade folgendermaßen geschildert:

Es hat immer wieder Versuche gegeben, diese Blockade zu brechen. In der Regierungszeit Ehud Olmerts wurden Schiffe entweder nach eingehender Kontrolle, oder in einem Fall nach entsprechender geheimdienstlicher Aufklärung unkontrolliert und ohne Kontakt mit der israelischen Kriegsmarine in den Gazastreifen durchgelassen, um keine für Propaganda nutzbaren Bilder der Konfrontation entstehen zu lassen. Der 2008 aufgebrachte Frachter „Francop” hatte ein umfangreiches Waffenarsenal geladen.

Damit lässt sich die Position der Kadima zu den Geschehnissen erklären – grundsätzliche Zustimmung mit dern Tendenz, man selbst hätte es anders gemacht, gerade was Außenwirkung und Transparenz anging:

Diskutiert wird – wieder einmal – die Frage des Anschlusses von Kadima an die Koalition. Kadima hatte offiziell zur Aktion gegen die Blockadebrecher keine Position entwickelt. Grundsätzlich war die Stimmung in der Partei positiv zur Aktion. Eine grundsätzliche Kritik an der Regierungspolitik und der Aktion wollte sie nicht üben. Letztlich hatte auch Olmert die Blockade durchgesetzt. Kritik bezog ich nur auf die konkrete Umsetzung und auf die Hilflosigkeit der Regierung, die zunehmende politische Isolierung Israels aufzuhalten. Deshalb strengte Kadima auch am vergangenen Montag ein Misstrauensvotum gegen die Regierung an, welches aber erwartungsgemäß überstimmt wurde. Derzeit ist nicht abzusehen, ob Regierungschef Netanjahu Kadima in die Koalition einlädt, vor allem um besser mit internationalem Druck umgehen zu können. Kadima ließe sich wohl nur dann darauf ein, wenn es auch politisch klarere Gemeinsamkeiten gäbe, nicht zuletzt auch in Bezug auf den Verhandlungsprozess mit den Palästinensern.

Die Kadima mag nun nicht gerade das Gelbe vom Ei sein wenn es um Frieden mit den Palästinensern geht – besser als ein Lieberman von Jisra’el Beitenu ist die Kadima auf jeden Fall. Mit ihr ist Frieden möglich; zusammen mit der Arbeiterpartei kann sie sicher einiges durchsetzen bzw Netanjahu einen Schuldigen für in seinem eigenen Lager unpopuläre Entscheidungen darstellen. Mit der Kadima ist viel möglich – wenn schon keine weiteren Friedensgespräche, dann doch zumindest eine “Nomalisierung” der seit den Wahlen letztes Jahr katastrophalen israelischen Außenpolitik, die es sich mit der Türkei, der EU, den USA und den Palästinensern in allen Gebieten verdorben hat.

Achja: Der beste Kommentar zu dem ganzen stammt immer noch von Robert Misik.

 

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2 thoughts on “Guten Ideen im Nahen Osten”

  1. Eine sehr ausgewogene Darstellung, insbesondere die Worte von Abbas kannte ich noch nicht(wobei er auf Gaza eh keinerlei Einfluss mehr zu haben scheint). Deine Einschätzung halte ich für folgerichtig. Mit der Fatah auf der einen und einem Kadima/Arbeiterpartei-Gespann auf der anderen Seite wäre eine Lösung greifbar. Für Gaza sehe ich allerdings mit meinem bisherigen Wissen keine rosige Zukunft. Allenfalls einen Anschluss an Ägypten halte ich für – im Sinne der Bevölkerung – sinnvoll.

     
  2. Danke ;)
    Beim Gazastreifen wäre ich noch vorsichtiger, Ägypten mag sich da nicht die Hände schmutzig machen, ergo wird das nie was. U.U. muss man den Gazastreifen als faktisch existierenden 2. Palästinenserstaat anerkennen – etwas, das Israel aber nicht tun kann, solange dieser Staat seine Existenz angreift. Andererseits bedeutet die Blockade die faktische Anerkennung dieses Staates.

    Jede Lösung für Gaza muss bei der wirtschaftlichen Hilfe aufbauen, denn die Hamas dominiert soziale Netze; darauf gründet sich ihre Macht. Aber das alles kommt letztlich später, und wenn es einen Palästinenserstaat geben sollte, könnte das Machtgefüge in Gaza sich auch noch ändern.

     

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