Der Kalte Krieg im Pazifik

Die Pazifikanrainer streiten sich eigentlich seit dem Zweiten Weltkrieg über Inseln, Hoheitsrechte und Ressourcen. Seit einigen Jahren nehmen aber die Spannungen zu – und ein Wettrüsten mit unklarem Ausgang droht.

Am bekanntesten ist wohl der Konflikt um die Senkaku/Diaoyu Inseln. Das sind im Prinzip ein paar ins Meer geworfene Steine, in deren Nähe Ressourcen vermutet werden, was natürlich auf keinen Fall der Grund ist, aus dem Japan und China seit Jahrzehnten beweisen wollen, dass ihre jeweilige Ethnie zuerst darauf gesiedelt hat und die Inseln deswegen rechtmäßig ihnen gehören. Der Konflikt hat so seine Konjunktur, immer mal wieder. Irgendein Nationalist wärmt ihn auf, dann wird ein Abkommen geschlossen wie das, welches Ressourcenabbau in Kooperation beider Seiten ermöglicht.

Daneben gibt es noch ein paar weitere Steine. Allein Japan hat Konflikte mit China, Russland, Korea und Taiwan, sowohl was Inseln als auch was Hoheits- und Fischereirechte angeht. China wiederum hat unter anderem Konflikte mit Japan, Vietnam und den Philippinen, und die Regionalmacht Indonesien ist auch nicht besonders glücklich über ein erstarkendes China mit neuen Ansprüchen. Die meisten Länder haben untereinander irgendwelche Streitpunkte; die meisten wurden aber mithilfe des San Francisco Systems, amerikanischer Diplomatie und jahrelangen Konventionen entschärft. Wenn es da nur nicht eine erstarkende neue Regionalmacht geben würde…

Das Reich der Mitte kommt

China war jahrzehntelang isoliert. Spätestens seit dem Bruch mit der Sowjetunion und den anhaltenden wirtschaftlichen Problemen war das Land international schwach und vor allem nach innen hin bemüht. Das änderte sich aber in den letzten Jahren – die Bipolarität ist vorbei, Chinas Diplomatie läuft auf Hochtouren, und in Afrika und im Mittleren Osten ist das Land ein wichtiger Partner. Mit dem Wirtschaftswachstum der letzten Jahrzehnte und dem erhöhten Budget kann es sich nun um den eigenen Hinterhof kümmern.

Dumm nur, dass das schon erwähnte San Francisco System dafür sorgt, dass die meisten Staaten in der Region eng an die USA gebunden sind. Andere Staaten haben sich nach dem Fall der Sowjetunion nach Westen hin ausgerichtet oder in die Isolation zurückgezogen. Und dann gibt es sogar Länder wie Vietnam, die trotz einer weniger erfreulichen Geschichte plötzlich zusammen mit Japan und den USA daran interessiert sind, Chinas Einfluss zurückzudrängen. Da bleibt nur ein natürlicher Expansionsraum, ohne sofort einen Krieg zu starten: Das Wasser. Und da expandiert man am besten, indem man seine Macht ausbaut und auch demonstriert. Nicht umsonst hat China wohl das zweithöchste Militärbudget der Welt, hinter den USA (das aber mit einem ordentlichen Abstand).

Obama hat das frühzeitig erkannt, daher auch seine Pazifik-Strategie. Ressourcen aus Europa und dem Nahen Osten wurden abgezogen und in den Pazifik verlagert. Für die USA ist das aber nur eine leichte Ressourcenverlagerung. Das dürfte auch der Grund sein, warum die USA demonstrativ die neue Luftsicherheitszone Chinas ignoriert hatten. Die offizielle Erklärung: Das Manöver sei lange geplant gewesen. Man kann es auch so sehen: China kann gerne einseitig erklären, dass sein Luftraum auch die Senkaku/Diaoyu Inseln umfasst, aber das heißt noch lange nicht, dass die USA das auch akzeptieren werden.

Was China kann, können die anderen auch: Aufrüsten

Die Reaktion ist nicht wirklich überraschend. Japan rüstet auf, mit Schiffen, aber auch mit U-Booten, Drohnen, Flugzeugen und allem, was sonst noch auf See eingesetzt werden kann. Nicht, dass Abe das nicht sowieso getan hätte; wir sprechen über den Nationalisten, der Japans Verfassung ändern möchte, um ein richtiges Militär einzuführen, und der regelmäßig mit nationalistischen Symbolen provoziert. Als einer der wenigen starken Premierminister Japans kann er sich das sogar leisten; nichts da kann nur wenig Gutes bei rauskommen.

Japan ist aber nicht das einzige Land, das aufrüstet, und China nicht das einzige Land, dass aus seinem Wirtschaftswachstum militärische Stärke bezieht. Erst letzte Woche hat Vietnam U-Boote gekauft, und es ist nicht das einzige Land – laut der New York Times ziehen Myanmar, Thailand, Indonesien, Singapur und Malaysia nach:

On Jan. 1, Vietnam received its first of six Russian Kilo-class submarines. The last one is expected to be delivered in 2016. Myanmar intends to create a submarine force by 2015. Thailand plans to include the purchase of submarines in its soon-to-be-announced 10 -year armed forces development proposal. Thai officers are already enrolled at submarine training schools in Germany and South Korea, two potential submarine suppliers.

Indonesia, Singapore and Malaysia have submarine fleets and plan to procure more. Malaysia paid a Franco-Spanish consortium $1.1 billion for two submarines in 2007 and 2009. Indonesia expects to replace its two aging submarines and expand its fleet to 12 with submarines from South Korea and possibly Russia by 2020.

Die meisten dieser Länder sind US-Verbündete oder stehen zumindest China skeptisch gegenüber – was auch der Grund für die Aufrüstung ist. Chinas Wirtschaft wird weiter wachsen, und damit auch seine Rüstungsausgaben, ebenso wie bei den genannten Ländern. Eine drohende Aufrüstungsspirale kann also leicht unsichtbar werden.

Neue Bündnisse und Kraftproben

Interessant wird in den nächsten Monaten und Jahren, wie sich die Lage diplomatisch entwickeln wird. Die USA haben ein Interesse daran, die Bedrohung durch China zu nutzen, um neue Allianzen zu knüpfen (Vietnam, Myanmar). China wiederum könnte versuchen, Konflikte mit einzelnen Staaten zu beenden, und Verbündete gegen den Rest zu finden. Momentan sieht es aber nicht danach aus; lediglich Myanmar käme in Frage, aber das Land ist dafür relativ unwichtig zur See.

Die Kraftproben, die bevorstehen, bestehen aus einem Mix von diplomatischen und militärischen Komponenten. China lässt die Muskeln spielen und versucht, Ansprüche im Pazifik zum Wasser und in der Luft durchzusetzen, die dann, flankiert von diplomatischen Bemühungen, den status quo ändern könnten. Dass China wirklich Gebietsansprüche durchsetzen kann, scheint vorerst kaum möglich. Aber es könnte sich dadurch bessere Konditionen bei Abkommen erkämpfen; beispielsweise einen höheren Anteil an Ressourcen, die gemeinsam mit Japan abgebaut werden. Ob sich China durchsetzen wird, hängt stark von den militärischen und diplomatischen Kapazitäten der amerikanischen Pazifik-Verbündeten ab. Letztlich sorgt China gerade dafür, dass sein eigener Aufstieg die Rolle der USA und Japans in der Region wichtiger erscheinen lässt, als noch vor einigen Jahren. Abe und Obama finden in Beijing die perfekte Legitimation für eine expansive(re) Politik in der Region, sowie genug neue, verängstigte Partner.

Gefährlich wird das ganze, wenn das gemeinsame Aufrüsten außer Kontrolle geraten sollte. Wenn die Geschichte nämlich eins zeigt, dann, dass große Waffenarsenale geradezu darum betteln, eingesetzt zu werden. Und dass kann nun wirklich keiner wollen.

 

Flattr this!

Juhu! Jemand, der nicht bei facebook kommentiert! Oldschool!