Wie mir das grad auf den Sack geht

Ich habe jetzt einige Wochen was schreiben wollen, wirklich, aber die aktuell präsenten Themen gehen mir richtig auf die Nerven. Es hat mich schon lange nicht mehr so sehr deprimiert Nachrichten zu lesen.

Ein Beispiel gefällig? Letzten Monat konnte man in der ZEIT einen ziemlichen Mist lesen über Geschlechterforschung. Wenn mir beim Überfliegen ein halbes Dutzend sachlicher Fehler oder Verfälschungen auffallen, dann finde ich es umso trauriger, wenn ich von Freunden Lob über diesen “wunderbaren Artikel” hören darf. Darf ich den Artikel mal zusammenfassen? Soziologen sind zu blöd, einen Penis von einer Vagina zu unterscheiden.

Liebe Post-Gender-Politically-Incorrect-Nervensägen: Wenn ein Soziologe die Biologie leugnet, studiert er wahrscheinlich gerade im zweiten Semester. Wenn ihr euch aber jemals die Mühe gemacht hättet, auch nur ein einziges, peripher feministisches Buch aufzuschlagen, wüsstet ihr, dass kein Mensch behauptet, es gäbe keine Biologie und nur Soziologie. Nein, die Soziologie sagt vielmehr, dass biologistischer Determinismus (also, in deiner DNS steht, dass du an deinem achtzehnten Geburtstag mit XY schlafen wirst), kacke ist. Und dass es eben keine eindeutigen Beweise gibt, dass er auch anderswo funktioniert (“wegen Hormonen können Frauen kochen”).

Weil die Wissenschaft sich da gar nicht einig ist, wie das mit dem Determinismus funktioniert, schlägt der Soziologe eigentlich nur Folgendes vor: Erkennen wir mal an, dass es neben den Chromosomen (dem biologischen Unterschied zwischen Männlein und Weiblein) noch dutzende andere Faktoren gibt. Wetter zum Beispiel. Und eben das, was uns unser ganzes Leben lang am meisten prägt: Kultur im Sinne von Sozialisation. Dass also, solange nicht eindeutig bewiesen ist, dass Hormone/Chromosomen bestimmtes Verhalten herbeiführen, es wahrscheinlicher ist, dass das Ganze sozialisiert ist. Und dass die Grenze zwischen Mann und Frau eben keine mystisch-magische Grenze ist, wie es schon in der Bibel steht, sondern eine sozial konstruierte. Und wo genau widerlegt der Artikel das?

Jap, ich habe überlegt, wie ich das verständlich formulieren soll auch für Menschen, die das gerne falsch verstehen wollen (Feminismus zu haten ist ja irgendwie in Mode gerade). Ich habe mich, wie man sieht, dagegen entschieden; wenn ihr nicht drüber nachdenken wollt, Pech gehabt, aber schwurbelt mich nicht zu mit unreflektiertem, reflexhaften Anti-Intellektualismus.

Fast noch mehr zu schaffen macht mir die geballte Inkompetenz, die neuerdings von unserer Regierung ausgeht. Na gut, für besonders kompetent habe ich sie ja nie gehalten, und dass jede deutsche Regierung spätestens seit der Wende und noch mehr seit 9/11 prinzipiell auf Datenschutz pfeift, war auch zu erwarten. Ich meine, hey, die letzten Innenminister (Schily, Schäuble, de Maizière, Friedrich) haben sich bis auf vorletzteren alle durch besonderen Eifer hervorgetan was das Abschaffen der Privatsphäre angeht.

Dass aber eine konservative Partei mitspielt, wenn die Souveränität ausgehebelt wird und deutsche Daten von ausländischen Behörden, die weder hierzulande noch in den USA wirklicher demokratischen Kontrolle unterliegen, ist dann auch nur noch traurig. Lassen sich deutsche Politiker jetzt prinzipiell ausspionieren, bevor sie mit den USA verhandeln?

Aber hey, sowas ist mir natürlich egal! Als nicht-nationalistischer Mensch kann man von mir aus gerne nationale Souveränität aufgeben. Ich finde es halt nur blöd, dass ich Obama nicht abwählen kann für den Mist, darum soll gefälligst der BND die Daten nicht von der NSA kaufen, sondern selbst erheben. Och, das tut er? Und warum will das jetzt niemand wissen, weder in der Regierung, noch im Parlament? Sind die denn alle wirklich komplett inkompetent, oder tun die nur so, weil es ihnen peinlich wäre, vom Aushebeln des Rechtsstaates gewusst zu haben?

Merkel würde ich dafür echt gerne abwählen, aber erstens wird das wohl nicht passieren, und zweitens zweifele ich auch daran, dass ein Herr Steinbrück das nennenswert ändern könnte. Warum kann eigentlich nicht mal jemand von den kleineren Parteien den Innenminister stellen?

Claudia Roth als Innenministerin: läuft von Veranstaltung zu Veranstaltung und umarmt einfach mal jede gesellschaftlich halbwegs relevante Gruppe. Wäre mal was Anderes als xenophobe Äußerungen. Oder Leutheusser-Schnarrenberger: eine Innenministerin, der der Rechtsstaat mehr bedeutet als Effizienz der eigenen Behörde. Und Wagenknecht erst! Verfassungsschutz abschaffen, die geballte Inkompetenz, die auf dem rechten Auge blind ist, von Grund auf erneuern! Und Nocun würde wahrscheinlich als erste Innenministerin verstehen, wie das Internet eigentlich so richtig funktioniert.

Aber nee, leider wird das nicht passieren, es sei denn, es käme zu einer hübschen Dreierkoalition. Und momentan sieht ja alles nach CDU plus entweder SPD oder Grüne aus. Oder halt wieder die FDP, falls sie die nächste Wahl überlebt.

Apropos Wahl: Liebe Grüne, ich weiß ja, dass ihr mittlerweile angepasste Spießer seid. Aber muss es denn so offensichtlich sein wie im bayerischen Wahlkampf?

laaaaame

Gut, da kommen wohl noch bessere Plakate, aber zuletzt habe ich nur das gesehen in München, und mal ehrlich: langweiliger war nur Schröder. Sogar der Ude war witziger mit seinem “Wir halten Wort!”. Und wenn die CSU provokantere Plakate klebt als ihr, liebe Grünen, ist das nur noch peinlich, also strengt euch mal an!

Es rettet euch da nur wenig, dass Ströbele Asyl für Snowden fordern dürfte. Sympathisch, aber leider kam eine absolut geniale Begründung, warum das nicht möglich sei: die USA seien eine Demokratie. Klasse, hatte vergessen, dass wir noch im Kalten Krieg stecken – auf der einen Seite die unfehlbaren Demokraten, auf der anderen die bösen Regime. Dissidenten fliehen gefälligst aus letzteren in erstere, das ist halt so definiert. Gibt natürlich auf keinen Fall graduelle Unterschiede, oder einen Anlass den Einzelfall zu überprüfen. Ist ja nicht so, als wären die USA aufgefallen mit Folter, geheimen, intransparenten Gerichten, oder gar mit übermäßig hohen Strafen.

Was mich im Rahmen der NSA-Sache übrigens besonders aufregt ist die Aussage, man könne sich doch individuell schützen. Achja, kann ich das? Wenn meine Freunde mich auf facebook taggen, wenn niemand außer mir PGP-Schlüssel verwendet, wenn meine Daten über unsichere Provider laufen, kann ich mich als Individuum eigentlich überhaupt umfassen schützen? Quatsch. Jeder hinterlässt einen digitalen Fußabdruck, wenn er sich in unserer zunehmend digitalen Welt bewegt. So wie jeder einen ökologischen Fußabdruck hat. Als Individuum sollte man ihn verringern, aber wirklich lösen kann man solche Probleme nur im kollektiv, politisch. Aber genau von diesem Druck möchten sich die Politiker ja gerne befreien. Also, liebe private Datenschutz-Apologeten: Ihr entlastet nur die Politiker und erreicht wenig.

Achja, einen hab ich noch: kreisch, quiek, Kate hat ein Kind! Haben wir ja alle tage-, ach was, wochenlang verfolgt, oder etwa nicht? Und was machen die Nachrichten daraus? Zeigen Bilder aus Amerika, Europa, Großbritannien, und kommentieren, die ganze Welt freue sich über die Geburt und feiere sie. Seit wann gehören eigentlich Afrika, Südamerika, und Asien (der globale Süden) nicht mehr zur Welt?

So, jetzt aber genug. Genug aufgeregt, ein Glück, dass ich nicht zu jedem Thema einzeln was geschrieben habe, das wäre nicht gut für meinen Blutdruck gewesen. Wenn die Welt aufhört, mir so auf den Sack zu gehen, kommentiere ich auch gerne mal wieder irgendwas, das auf ihr geschieht.

 

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Juhu! Jemand, der nicht bei facebook kommentiert! Oldschool!