Politblogger dankt ab

Eigentlich wollte ich mich ja jetzt hinsetzen und über etwas ganz anderes schreiben, was mit Identitäten, Kolonialismus, Franzosen und so Gedöns. Kaum logge ich mich aber ein, sehe ich, dass der Politblogger aufhört, einer der wenigen Blogs, die ich seit Jahren weitestgehend ununterbrochen verfolgt habe. Zeit also, sich einmal ordentlich zu verabschieden.

Irgendwann, vor 5 Jahren oder so, es muss um 2007 gewesen sein, fragte mich eine sonst eher antirassistisch eingestellte Person, was ich denn von Kritik auf einer Seite namens “politically incorrect” halten würde. So, wie die Person eingestellt war, dachte ich mir, ich müsse mich mal damit auseinander setzen – und lernte eine krass rassistische Seite kennen. Ja, rassistisch – neben Islamfeindlichkeit gab und gibt es dort einen Hass auf alles nicht Weiße, und so nebenbei auch auf Homosexuelle, Frauen und Linke. Seit 9/11 ist es ja nichts neues mehr, Einwandere pauschal als Muslime zu bezeichnen und als solche zu diskriminieren. Aber erst Seiten wie diese haben es mir auch klar gemacht, wie weit verbreitet eine solche Einstellung ist.

Ich hätte mich nicht weiter mit dem Thema beschäftigt, wenn ich nicht kurz darauf Politisch Korrekt (der alte Name vom Politblogger) gefunden hätte, den Gegenblog. Nachdem ich dort einige Kommentare abgelassen hatte wurde ich freundlich gefragt, ob ich das bald entstehende Forum nicht Moderieren wolle. So kam es dann, dass ich Anfang 2008, zusammen mit Fareus, DhimmiDerHund (der hier mal mitschreiben wollte, aber nicht mehr als zwei Beiträge geschafft hat), SebastianM und blackmailed dabei half, das Forum zu verwalten. Übrigens unter dem Spitznamen lol, denn das war ursprünglich das einzige, was mit zu PI eingefallen war, und ich hatte nie die Absicht, mich länger oder ernsthafter damit auseinander zu setzen.

In der realen Welt gab es dann Sarrazin und damit verbunden eine rassistische Debatte, wie ich sie vorher noch nicht erfahren hatte. Diskriminierung ist nichts neues, jeder hat davon gehört und jeder erlebt sich irgendwann mal, im Zweifel wegen mangelnder Erfahrungen oder Attraktivität. Aber jetzt durfte ich – bewusst, als Erwachsener – miterleben, wie enge Freunde sich fragten, ob “muslimisch sein”, ohne eine genauere Definition, zur “Produktion von Kopftuchmädchen” führe. “Der Einwanderer” war früher mal “der Türke” und damit “der Andere”; jetzt war es halt “der Muslim”.

Sarrazin hat Argumente, wie sie auf PI verwendet werden, nicht erfunden. Er hat sie auch nicht verbreitet. Aber er hat sie definitiv hoffähig gemacht, und es gab eben die ganz reale Möglichkeit, dass damit auch Politik gemacht wird, auf breiter Ebene und nicht in so kleinem Ausmaße, wie es täglich geschieht. Blogs wie PK haben dabei geholfen, eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen, die die Rassisten argumentativ auseinandernimmt und lächerlich macht. Damit hat er dazu beigetragen, diese Denkrichtung zu marginalisieren und deutlich zu machen, dass sie nicht mehrheitsfähig ist in einer Demokratie.

PK nannte sich bald um in PB, den Politblogger. Dabei gingen viele alte Mitstreiter verloren; einige zerstritten sich mit PB, wie Fareus und DHD, andere zeigten Ermüdungserscheinungen und wurden schlicht inaktiv. Moderatoren kamen und gingen, ebenso wie Mitdiskutanten. Man kann sich eben nur eine begrenzte Zeit mit den selben Arumenten beschäftigen und man kann sich nur eine begrenzte Zeit lang dem Hass aussetzen, der da teilweise zutage kam, bevor man paranoid wird.

Der Moderationsstil wurde mit der Zeit – das kann man so sagen – strenger. Das hat unter anderem damit zu tun, dass auch PB mit der Zeit dünnhäutiger wurde, was Beleidigungen und repetitive, längst widerlegte Argumente anging. Irgendwann hat PB sowieso die komplette Arbeit geleistet und sich weniger mit dem – immer weniger aktiven – Team abgesprochen. Gleichzeitig sind viele alte Mitglieder inaktiv geworden oder haben sich zerstritten, sodass die Aktivität langsam, aber sicher abgenommen hat. Auch ich habe mit zuletzt an solchen Debatten gar nicht mehr beteiligt – einfach, weil ich die Ermüdung aller verstehen konnte, und weil sie wenig produktiv waren.

Als PB dann zuletzt deutlich weniger und thematisch breiter gebloggt hat, war das nur die logische Konsequenz. Wer kann sich schon 5 Jahre lang mit ein und demselben Thema beschäftigen, mehrere Male pro Tag, und das neben einem Job und realen Leben? Jetzt hat er sich dann entschlossen, das Projekt zu beenden. Vielleicht überlebt das Forum, einige Leute nutzen es doch noch täglich. Man weiß es nicht.

Eins ist aber klar: In den letzten Jahren hat PB dazu beigetragen, ein Bewusstsein für PI und Konsorten zu schaffen. Als Ansprechpartner für Medien, als Sammelplattform für Gegenarguemte, und nicht zuletzt als Kuschengruppe für all diejenigen, die irgendwann paranoid wurden angesichts der Menschenverachtung auf PI. Danke dafür.

 

Flattr this!

One thought on “Politblogger dankt ab”

Juhu! Jemand, der nicht bei facebook kommentiert! Oldschool!