Die Italiener sind einfach komisch. Da darf ein Silvio Berlusconi zum 3,5. Mal Ministerpräsident werden, und die rechtsextreme Lega Nord hat einen recht großen Einfluss auf die Politik. Darüber hinaus sind Linke zerstritten, Auffanglager und deren unhaltbare Zustände sind vollkommen normal, die Gerichte sind generell überfordert, und Korruption scheint ebenso allgegenwärtig wie der große Einfluss der Mafia. Betrachtet man dann noch die erzkatholische und extremst konservative Haltung vieler Gesellschaftsgruppen, dann erstaunt einen die italienische Justiz nur umso mehr.
Berlusconis Immunitätsgesetze wurden bereits letzten Monat kassiert, und kurz darauf wurde Berslusconi nicht nur mit diversen Angriffen auf den Staatspräsidenten, die “linken” Richter sowie eine “linke” Medienmacht zitiert, nein, dem Medienmoguln Berlusconi wurden auch folgende Worte, die von 2003 stammen sollen und seine Positionen recht gut zusammenfassen, in den Mund gelegt:
Es ist richtig, dass alle vor dem Gesetz gleich sind, aber ich bin gleicher, weil mich die Mehrheit des Volks gewählt hat.
Auch interessant waren mehrere Urteile zu religiösen Symbolen an Schulen – diesmal geht es dabei allerdings nicht um das bekannte Kopftuch, nein, jetzt sollten auch Kreuze mit dem Argument des Säkularismus auf der Schule entfernt werden. Hatten wir 2003 lediglich ein Urteil eines italienischen Richters in L’Aquila, dass die Klage des Präsidenten der Muslimischen Union Italiens (UMI), Adel Smith, berechtigt sei und Kreuze aus Klassenräumen entfernt werden müssten, so ging es jetzt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte noch einige Schritte weiter:
Das Gericht hatte am Dienstag der italienischen Mutter Soile Lautsi 5000 Euro Entschädigung zugesprochen. Im Schuljahr 2001/02 besuchten ihre Kinder, damals 11 und 13 Jahre alt, in Abano Terme eine staatliche Schule, in der alle Klassenzimmer ein Kreuz an der Wand hatten. Lautsi verlangte, die Kreuze zu entfernen und ihre Kinder in Räumen ohne religiöse Symbole unterrichten zu lassen.
Die streitbare Mutter klagte sich durch alle Instanzen Italiens und scheiterte stets. So stellte ein Verwaltungsgericht 2005 fest, das Kruzifix in der Schule sei “ein Symbol der italienischen Geschichte und Kultur und folglich der italienischen Identität”. Auch die obersten Richter Italiens wiesen die Klage 2006 ab, weil die Kreuze in der verfassungsmäßigen Trennung von Staat und Kirche zu einem eigenen Wert geworden seien.
Die Straßburger Richter sahen das ganz anders: Die Schüler könnten das Kreuz leicht als religiöses Zeichen interpretieren, was für Schüler anderer Religionen oder bekenntnislose Kinder störend sein könne. Indes brauche die Freiheit, keiner Religion anzugehören, besonderen Schutz. Nicht zu erkennen sei, wie das Zeigen eines “Symbols, das vernünftigerweise mit dem Katholizismus verbunden werden kann”, dem für eine demokratische Gesellschaft wesentlichen Bildungspluralismus dienen könne.
Natürlich muss hier wieder einmal die CSU laut aufschreien, das Argument der verlinkten Spiegel-Artikels, dass der Aufschrei europäische Katholiken die “Religiösität” des Kreuzes beweise und damit dem Urteil rechtgebe, halte ich für ziemlich gut. Entweder, jeder darf jede Form der Religion präsentieren, auch an der Schule, oder es darf eben keiner die Neutralität der Schule verletzen. Da darf Italiens Regierung jetzt daran knabbern – den Aufschrei hat es freilich schon gegeben.
Politisch bedeutsamer werden da wohl die gerade beendeten Prozesse gegen CIA-Mitglieder sein, die jetzt (weitestgehend in Abwesendheit) wegen der Entführung eines radikalen Geistlichen unter anderem zu Haftstrafen verurteilt wurden.
Im Prozess wegen der Verschleppung eines ägyptischen Geistlichen in Italien hat ein Gericht in Mailand 23 US-Bürger zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Für den damaligen Chef des Mailänder CIA-Büros, Robert Seldom Lady, wurde eine achtjährige Freiheitsstrafe verkündet, für die übrigen US-Agenten gilt ein Strafmaß von jeweils fünf Jahren. Drei Amerikaner wurden mit Verweis auf diplomatische Immunität freigesprochen. In dem fast drei Jahre dauernden Verfahren mussten sich insgesamt 26 US-Bürger und sieben Italiener verantworten. Gegen zwei italienische Helfer bei der Entführung wurden jeweils drei Jahre Gefängnis verhängt.
Agenten gelten als “flüchtig”Die Amerikaner wurden alle in Abwesenheit verurteilt und gelten für die Justiz als flüchtig. Italienische Regierungen lehnten es in den vergangenen Jahren ab, ihre Auslieferung zu beantragen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft handelt es sich bis auf einen bei allen um CIA-Agenten. Es ist das weltweit erste Verfahren im Zusammenhang mit dem geheimen CIA-Programm zur außerordentlichen Überstellung von Terrorverdächtigen (“secret renditions”).
Entführter erhebt FoltervorwürfeDer radikale Geistliche Osama Mustafa Hassan Nasr alias Abu Omar wurde am 17. Februar 2003 auf offener Straße in Mailand aufgegriffen und soll über den US-Fliegerhorst Ramstein nach Ägypten verschleppt worden sein. Er gab später an, während der Gefangenschaft gefoltert worden zu sein. Im Februar 2007 wurde er freigelassen.
Nach Auffassung der Mailänder Staatsanwaltschaft unterstützte der italienische Geheimdienst die Entführung des Imams durch die CIA. Die Regierung in Rom hat eine Verwicklung in den Fall zurückgewiesen. Der US-Geheimdienst nimmt zu den Vorwürfen nicht Stellung.
Freilich dürfte kein US-Präsident jemals CIA-Mitglieder ausliefern (bei normalen US-Bürgern ziert man sich ja auch bereits…) – das käme, trotz aller möglichen Versprechen eines “Change” politischem Selbstmord gleich. Und wenn Italiens Regierung besagte Auslieferung wohl auch nicht – oder zumindest in absehbarer Zeit nicht – fordern wird, dann kann man dies gleich vergessen. Aber immerhin hat endlich ein enger Verbündeter der USA deren völkerrechtswidrige Methoden (rechtswidrig im Allgemeinen könnte man sie auch nennen) verurteilt; immerhin etwas. Hoffen wir mal, dass das Signal auch verstanden wird und die wenigstens die EU nicht weiter blind bei solchen, sämtlichen Grundsätzen einer Demokratie und eines Rechtsstaates entegegenlaufenden, Methoden mitarbeitet und befreundete Staaten darin bestärkt und unterstützt.