ISAF-Mandat wird verlängert/Nobelpreis gibts gratis dazu

Der “Weltsicherheitsrat”, dem neben den ständigen Vetomächten Russland, USA, China, Frankreich und Großbritannien zur Zeit Burkina Faso, Costa Rica, Kroatien, Libyen, Vietnam, Uganda, Japan, Mexiko, Türkei sowie Österreich angehören, hat einstimmig beschlossen, das ISAF-Mandat bis zum 13. Oktober 2010 zu verlängern. Etwa zeitgleich erhält Obama den Friedensnobelpreis – und das, während die Resolution des Weltsicherheitsrates ebenso der ISAF-Kommandeur und Obama selbst nach mehr Soldaten rufen und die USA eine neue, bunkerbrechende Superbombe entwickeln.

Ja, ich weiß – das war keine besonders elegante Einleitung. Aber ich übe noch, und das ist alles mit einander verbunden.

Zunächst einmal fordert die von Japan verfasste Resolution 1890, dass die Mitgliedsstaaten der ISAF mehr Soldaten und Material zur Verfügung stellen, ohne allerdings konkrete Forderungen zu stellen.

In der Resolution bringt der Sicherheitsrat seine “starke Besorgnis” über die Sicherheitslage in Afghanistan zum Ausdruck. Er verurteilt darin den Anstieg der Gewalttaten durch Anhänger der radikalislamischen Taliban und des Terrornetzwerks Al Kaida und zeigt sich besorgt über die hohe Zahl ziviler Opfer.

Das Interessante hierbei ist zunächst einmal, dass es in Japan einen Politikwechsel gegeben hat. Nach den Zweiten Weltkrieg verpflichtete sich Japan in seiner Verfassung, kein Militär zu unterhalten und folglich auch an keinen militärischen Konflikten teilzunehmen. Doe pro-amerikanische, konservative LDP, die nach dem Weltkrieg fast ununterbrochen regierte, setzte jedoch Gesetze durch, die sogenannte Selbstverteidigungskräfte ebenso legitimierten wie deren Einsatz in friedenserhaltenden Missionen der UN. Ensprechend entsendete Japan auch Schiffe in den Indischen Ozean, die vor allem den USA und GB helfen sollten.

Diese Schiffe sollen nun aber abgezogen werden – denn seit der Shūgiin(=Unterhaus)-Wahl 2009 am 30 August regiert nicht mehr Taro Aso von der LDP, sondern die DPJ mit Yukio Hatoyama, der sich nun als Regierungschef auf eine bequeme Mehrheit von 308 von 480 Sitzen allein seiner Partei stützen kann. Zusammen mit den Sozialdemokraten und der Neuen Volkspartei verfügt er auch über eine Mehrheit im Oberhaus.

Die DPJ forderte nun aber das Ende der Auslandseinsätze der Selbstverteidigungskräfte (was momentan nur die Schiffe im Rahmen des Afghanistaneinsatzes betrifft), und man befürchtete, sie stünde auch für eine Distanzierung von den USA und eine stärkere Anlehnung an die asiatischen Nachbarn. Die Beteuerungnach der Wahl, an den Beziehungen zu den USA nichts ändern zu wollen, sowie die Änderung des Programms vor den Wahlen, die besagte, dass man des Einsatz nur auslaufen lassen wolle, wurden zwar skeptisch aufgenommen, mit der jüngsten Resolution wollte man aber vermutlich sämtliche Zweifel daran zerstreuen. Die USA und Japan bleiben auch weiterhin Partner, wenn auch mit anderen Schwerpunkten, so das Signal.

Die Aufstockung der Truppen forderte nun nicht nur Standley McCrystal, der ISAF-Kommandeur, schon seit langem, und auch Obama hat mit dieser Forderung nicht nur Wahlkampf gemacht, er hat sich auch seitdem hinter sie gestellt. Auch in Deutschland droht die Debatte wieder aufzuflammen:

Auch eine Aufstockung des deutschen Afghanistan-Kontingents noch in diesem Jahr ist in der Diskussion. Das Verteidigungsministerium hat zwar einen Medienbericht über eine geplante Erhöhung der Zahl der Bundeswehr-Soldaten auf 7000 als willkürlich Spekulation bezeichnet.

Ein Sprecher verwies aber darauf, dass der Bundestag das ISAF-Mandat bis zum 13. Dezember neu erarbeiten müsse. Welche neue Obergrenze darin genannt werde, könne man noch nicht sagen. Derzeit liegt die vom Bundestag genehmigte Obergrenze bei 4500 Soldaten, 4200 Soldaten sind im Einsatz.

Die Verleihung des Friedensnobelpreises an Obama sorgte so gesehen für einige Kritik, schließlich hat Obama sich ausdrücklich für einen Krieg ausgesprochen und möchte sogar noch mehr Soldaten hinschicken. Und nicht nur das; Nun kündigten die USA auch noch den Bau einer “MOP” an:

Die USA haben die Entwicklung der größten bunkerbrechenden Bombe der Welt beschleunigt. Die Bombe – bei US-Militärs unter dem Kürzel MOP bekannt – solle in wenigen Monaten einsatzbereit sein, sagte Pentagonsprecher Geoff Morrell.

[…]

Die MOP ist für tiefliegende Bunker konzipiert. Sie dringt mehr als 60 Meter tief in die Erde ein, bevor die 2400 Kilogramm Sprengstoff explodieren, mit denen sie bestückt ist. Mit dieser Waffe werde eine Lücke im US-Arsenal geschlossen, sagt Morell – so etwas habe bislang gefehlt. Gegen wen sie eingesetzt werden könnte, wollte er aber nicht sagen. Spekulationen über mögliche Ziele seien nicht hilfreich.

[…]

Gates hält Sanktionen für äußerst wirksam, um den Iran in die Knie zu zwingen. Parallel dazu lässt er aber die Planungen für die Einsatzbereitschaft der Superbombe vorantreiben. Vergangene Woche hat das Pentagon dem Rüstungskonzern McDonnell Douglas einen Auftrag für 50 Millionen Dollar erteilt, B2-Bomber so umzurüsten, dass sie die riesige Bombe transportieren können. Die MOP, der eigentliche Sprengkörper, wird von Boeing gebaut.

Jemand, der für seine Reden und seine “Bemühungen um Abrüstung” mit dem Friedensnobelpreis geehrt wird, gleichzeitig aber den Bau von neuen Waffen, die in einem neuen Krieg eingesetzt werden könnten, vorran treibt, klingt doch sehr nach einem typischen Politiker und lässt so einige an der Legitimität des Preises Zweifeln.

Dabei wird aber so einiges Vergessen – zum einen Obamas Bemühungen, den Krieg in Afghanistan auf andere Art zu lösen. Obamas Ansatz besteht eben nicht nur aus mehr Truppen und mehr “Schießen” – nein, er steht für eine politische Lösung des Konflikts durch Druck auf Pakistan und andere Staaten in der Region une eine Einbindung verschiedenster afghanischer Kräfte. (Dazu und zu Afghanistan im allgemeinen habe ich bereits einiges geschrieben…) Eine solche Lösung ist ebenso vielversprechend wie schwierig; sie komplett umzusetzen ist fast unmöglich und erfordert sehr viele Anstrengungen in einer langen Zeit. Letztere ist es, die man sich durch mehr Truppen erkaufen kann – denn wenn die Taliban stärker werden und die die noch vorhandene Legitimität des Einsatzes bei der afghanischen Bevölkerung noch weiter schwindet, dann wird der Einsatz scheitern. Oder er wird zumindest so viele Opfer oder Geld kosten, dass es an politischen Selbstmord grenzen würde, die Truppen nicht aus Afghanistan abzuziehen – so weit will Obama es gar nicht kommen lassen. Gleichzeitig destabilisiert der Afghanistankrieg die gesamte Region; Iran, Pakistan, Indien und Tadschikistan sind nur einige der Staaten, die ihre eigenen Interessen bzgl der Taliban und des Militäreinsatzes verfolgen und deren Konflikte untereinander zunehmen würden bei einem Schweitern des Afghanistaneinsatzes.

Obama beruhigt damit also einige der Konflikte in der Region, so zynisch dies auch klingen mag; gleichzeitig hat er bereits genug Signale an die “islamische Welt” gesendet, um deutlich zu machen, dass er, anders als Bush, nicht für einen “Kampf der Kulturen” steht. Auch das, seine Versuche, die Rhetorik in der weltweiten Politik freundlicher zu gestalten, wurde mit dem Nobelpreis honoriert; dass er dabei nicht auf “Fakten” verzichten will wie eine Superbombe, mag zwar vom idealistischen Standpunkt her falsch sein, es ist dennoch mehr, als man bisher von den USA erwartet hat, denn gleichzeitig bietet er deutlich Alternativen an und versucht, diese als “angenehm” zu verkaufen. Die Rhetorik ist dabei durchaus wichtig, und Sanktionen sind um einiges zielführender als ein möglicher Krieg – gleichzeitig hat sich Obama deutlicher von letzterer Option distanziert als Bush. Für einen Krieg zu rüsten, den man nicht führen mag, heißt nicht, dass man den Krieg insgeheim doch befürwortet – es heißt nur, dass die Denkweise des Kalten Krieges auch von Obama nicht vollständig durchstoßen werden kann. Auch wenn man die atomare Abrüstung befürwortet, will man sich doch nicht der geringsten Gefahr aussetzen und gleichzeitig ein wenig drohen, nachdem das Zuckerbrot nicht ganz angekommen ist in Teheran – und auch die Abrüstung lief vom amerikanischen Standpunkt her vor allem so ab, dass man sich möglichst gut gegen den Gegner wehren können wollte und anschließend ein wenig und gleichmäßig abgerüstet hat. Damit steht Obama in der Tradition der “netteren Politiker” der Weltgeschichte, nicht aber in der Tradition einer religiösen Figur, wie scheinbar von einigen erwartet.

Gleichzeitig soll der Nobelpreis wohl weniger das bereits erreichte honorieren (auch wenn da vor allem das weltweite Klima stark geändert wurde), sondern vielmehr Obamas bisher hauptsächlich skizziertes Weltbild und sein ebenfalls vor allem skizziertes Bild eine vernünftigen Weltpolitik honoriert werden – und das hat er verdient. Ich gönns ihm.

 

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