Wer Israel in Deutschland kritisiert, kommuniziert auf vermintem Gelände. Denn anders als Kritik am Judenstaat ist Judenhass tabuisiert. Und zwar zu recht. Ein Israelkritiker, der nicht einfach nur sein Ressentiment in einer neuen Packung versteckt, darf sich um den Preis seiner Integrität also nicht antisemitisch äußern.
Das ist, allen Unkenrufen zum Trotz, möglich. Wo die Grenze zum Antisemitismus verläuft, hat die EU sogar definiert. Demnach ist Kritik am jüdischen Staat dann antisemitisch, wenn sie Israel dämonisiert oder delegitimiert. Etwa indem man den Juden das Recht auf nationale Selbstbestimmung abspricht und behauptet, Israel an sich sei ein rassistisches Projekt. Wenn man israelische Politik gleichsetzt mit Nazimethoden; wenn man die Juden kollektiv für Israel haftbar macht.
Diese Worte stammen von Tobias Kaufmann und geben meiner Meinung nach einen guten Rahmen für Israelkritik vor. Eine Delegitimierung Israels ist – so wie die Delegetimierung eines jeden existenten Staates – falsch, denn Staaten legitimieren sich weniger über ihre Geschichte und mehr über den status quo. Mehr als eine Generation hat nun Israels Existenz erlebt, Israel ist so zur Heimat vieler Menschen geworden wie Plalästina (noch?) die Heimat der Palästinenser ist. Das muss man respektieren. Eine Dämonisierung ist nun subjektiv, und vom Wort selbst her zu verurteilen, impliziert das doch eine unfaire und überzogene (oder eine mit der dämonisierung der Juden im antisemitischen Sinne verknüpfte) Kritik. Ebenfalls eindeutig antisemitisch ist es, wenn jemand jeden Juden kollektiv schuldig spricht wegen israelischer Verbrechen – jede kollektive Schuldzuweisung enthält rassistische Züge, und man muss nicht weit schauen um auf Israelis zu stoßen, die sich von besagten Verbrechen distanzieren, ja, man findet auch abseits der eben gemeinten Menschenrechtsaktivisten sogar orthodoxe (aber auch andere) Juden, die sich von dem Staat Israel an sich distanzieren.
Also ich kann mit dieser Definition gut leben, man muss aber einigen Leuten trotzdem vorwerfen, auch Israelkritik, die sich an diese “Regeln” hält, für antisemitisch zu erklären. Gesellschaftlich akzeptiert scheint diese Form der “Antisemitismusbekämpfung” zwar nicht zu sein, existent allerdings schon.
Ja, Tobias Kaufmann weiß schon, was er schreibt. Es wird, pardon, nur langsam langweilig. Nicht, was er schreibt. Sondern, dass man es immer und immer und immer und immer und… nunja, man kann es nicht oft genug predigen.
Dabei ist Antisemitismus keine politische Ansicht, keine Ideologie. Es ist ein hermetisches Welterklärungsmodell, das resistent gegen jegliche Aufklärung von aussen ist. Thomas Haury beschreibt ihn schön:
Daher ist der Beitrag von Kaufmann, wie so viele andere auch, nur die Selbstvergewisserung der Anti- Antisemiten. Argumentativ, in der Diskussion, kommt man dem Antisemiten selbst nicht bei.
Mir ging es auch weniger um die Bekämpfung von Antisemiten an sich über Diskussionen, denn ich stimme die voll und ganz zu was die Effektivität dessen angeht – aber ich beschäftige mich nunmal viel zu sehr mit Post- und NeofaschistInnen, und da wird gerne Israel als Feigenblättchen benutzt, um den eigenen Rassismus zu verbergen. NPD-Gesülze vom “guten Juden in seinem Land” kenne wir ja zur Genüge (damit wollte man sich mal einen demokratischen Anstrich geben, ist aber glücklicherweise daran gescheitert, dass eine Mehrheit des eigenen Klientels sich lieber solidarisch zeigen wollte mit den Palästinensern). Nun aber wird von rechts immer öfter beklagt, wie schlimm doch der Antisemitismus von links (im Gegensatz zum eigenen Weltbild) ist – und dazu wird auch gleich jede Form der Israelkritik als antisemitisch dargestellt.
Dass etwas klarzustellen fand ich denn einfach nötig ;)