Wenn die CSU ökologischer ist als die Grünen

Wenn man in Deutschland Wahlen verlieren will, dann muss man sich mit den Autofahrern anlegen. Das kann sich nur eine große Koalition mit knapp 80 Prozent der Sitzen erlauben – und plötzlich stehen Grüne und Linke als Anwälte der Autofahrer da.

Mit der PKW-Maut provozierte die CSU im Wahlkampf: Deutsche würden auch im europäischen Ausland zahlen, warum sollten die anderen Europäer nicht in Deutschland zahlen? Auch wenn die CSU das xenophob geframed hat, so hat sie doch im Prinzip recht – keine PKW-Maut zu haben, die Kosten von der Allgemeinheit statt den Nutzern der Autobahnen tragen zu lassen, das ist die Ausnahme.

Irgendwer muss die Kosten ja tragen

Jährlich investiert der Bund stolze 5 Milliarden in Fernstraßen. Gleichzeitig ist Deutschland Transitland. Als Mitteldeutsches Land geht ein großer Teil des europäischen Verkehrs durch Deutschland – von Polen nach Frankreich, von Dänemark nach Italien. PKWs und LKWs, die die Straßen belasten. Die Kosten übernehmen nicht nur deutsche Autofahrer, sondern die Allgemeinheit – also jeder in Deutschland Steuern zahlende Mensch, egal, ob er ein Auto hat oder nicht.

Die Ungerechtigkeit ist weniger, dass “die Ausländer” nichts in Deutschland zahlen müssen, dem deutschen Urlauber aber das Geld aus der Tasche ziehen. Das hat die CSU nur in ihrer einzigartigen Spreche so geframed, um Stammtische zu bedienen (und damit Antieuropäern im Wahlkampf sehr geholfen).

Die Ungerechtigkeit herrscht eher zwischen Auto-Besitzern und ökologischer reisenden Menschen, die Bahn und öffentliche Verkehrsmittel bevorzugen. Und sie existiert zwischen Unternehmen, die die existierende Infrastruktur nutzen, sie aber vom Steuerzahler, also jedem, finanzieren lassen.

Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld

Auch der aktuelle Vorschlag ist sinnvoll. Eine Vignette ist, was Datenschutz angeht, wesentlich weniger bedenklich als die früher diskutieren Zähler. Anstatt Dauerüberwachung würde es so einen Sticker auf der Windschutzscheibe geben, der relativ einfach verteilt werden könnte, beispielsweise über Tankstellen.

Allein in Deutschland sind knapp 44 Millionen PKWs zugelassen. Wenn auch nur ein Viertel davon eine Vignette über 100 Euro kaufen würde, dann wären das 1,1 Milliarden Euro, zuzüglich der Einnahmen durch LKWs und ausländischer Fahrzeuge. Ohne eine Entschädigung an anderer Stelle ließen sich damit ein guter Teil der 5 Milliarden, die in Straßen fließen, abdecken.

Dobrindt rechnet wohl mit einer Viertelmilliarde, aber er rechnet ja auch damit, dem deutschen Autofahrer das Geld an anderer Stelle wieder zu erlassen, beispielsweise über die KFZ-Steuer. Und damit wären wir auch bei dem Hauptproblem der aktuellen Ideen zur PKW-Maut.

Die große Koalition denkt nicht weit genug

Entlastungen, etwa über die KFZ-Steuer, bergen das Risiko, dass die EU nicht mitspielt. Die PKW-Maut könnte wegen Diskriminierung innerhalb der EU scheitern, was schade wäre bei der dringend notwendigen Umverlagerung von Kosten. Aus Angst vor dem deutschen Autofahrer riskiert die CSU also das Scheitern der PKW-Maut.

Die CDU denkt da weiter und setzt sich wohl für eine EU-weite Regelung ein. Nur: Bis die kommt, können Jahre vergehen, wenn überhaupt. Die Finanztransaktionssteuer hat gezeigt: Wer Projekte abblasen will, verschiebt sie auf EU-Ebene. Und das EU-Parlament ist sowieso vorerst beschäftigt.

Auch mögliche Öko-Entlastungen sind gut gemeint, letztlich aber unlogisch. Die Logik ist wohl: Entlastungen schaffen Anreize, sparsame Autos zu kaufen.

Mehr ökologische Autos sind vielleicht gut für die Autoindustrie (Menschen kaufen neue, bessere Autos), nicht aber für die Umwelt oder den Steuerzahler. Letzterer zahlt mehr durch Ausnahmen für Öko-Autos, und die Umwelt leidet darunter, dass sparsame Autos weiterhin schnell viel Treibstoff auf der Autobahn verbrauchen.

Denn: Der direkte ökologische Effekt der Vignette besteht doch darin, Autobahnen zu verteuern. Ob ich mit 130 Sachen über eine Autobahn brettere, überlege ich mir doppelt, wenn ich dafür 100 Euro im Jahr bezahlen muss. Der eine oder andere Gelegenheitsreisende könnte da auf Busse und Bahn umsteigen.

Die Kritik der Opposition ist weiterhin nur oberflächlich

Gut, ok, seien wir ehrlich: Opposition machen heißt auch, prinzipiell gegen alles zu sein, was die Regierung macht. Gerade als winzig kleine Opposition muss man jede Gelegenheit nutzen, um Aufmerksamkeit zu erzeugen.

Trotzdem: Die Linken und die Grünen als Verteidiger der Autofahrer gegen den bösen Staat? Verkehrte Welt. Die Grünen können das noch nicht so dolle, darum klingt ihre Kritik nach Anregungen für den Gesetzesentwurf: Die Schwere von LKWs müsse berücksichtigt werden. Na super, jetzt habt ihrs der Regierung aber gegeben.

Die Linke hat da schon mehr Erfahrung und mag die bösen Rassisten von der CSU nicht. Aber auch sie schafft es nicht wirklich, eine gute Argumentation gegen die Maut zu entwickeln, warum denn auch? Harz IV Empfänger dürften eher selten über Autobahnen brettern, und sie stellen nunmal einen großen Teil der linken Wählerschaft dar.

Die Autobahnmaut ist so ne Sache: Die Debatte ist uralt, sie kommt immer mal wieder auf, jeder Politiker findet sie sinnvoll und jeder Stammtisch hasst sie. Und am Ende kommt normalerweise nichts raus. Welche Ironie, wenn die CSU die Partei sein sollte, die sich endlich mal gegen Autofahrer und für die Umwelt einsetzt.

 

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