Nachruf auf die Studiengebühren

Ich bin links, arm, und Student. Man könnte also meinen, dass mich nichts so sehr freuen dürfte wie das Ende der Studiengebühren in Deutschland, das sehr wahrscheinlich bis spätestens nächstes Jahr kommen dürfte. Und ja – ich finde es gut und richtig, dass die Studiengebühren abgeschafft werden. Aber auch nur, weil die wirklich schlecht umgesetzt wurden.

Das Prinzip Studiengebühr

Jedes Thema, einschließlich der Studiengebühren, kann man auf zwei Ebenen kritisieren. Man kann einfach das Prinzip betrachten – sind Studiengebühren an und für sich gut oder schlecht? Wie finde ich die Idee an sich? Man kann aber auch Nebenwirkungen einer Realisierung betrachten. Was würden Studiengebühren bewirken, und wie kann man damit umgehen?

Das Prinzip an sich finde ich nicht schlecht. Sollte Bildung umsonst sein? Ja. Sollte eine Berufsausbildung umsonst sein? De facto ist sie das nicht. Bei den Hochschulen vermischen sich beide Prinzipien. Nicht jeder Studiengang kommt einer Berufsausbildung nahe, und nicht jeder Student findet oder sucht nachher einen Job in seinem Gebiet. Aber sehr viele Studiengänge – Jura; Medizin; Maschinenbau – qualifizieren für bestimme Jobs und ermöglichen ein weitaus höheres Gehalt als man ohne das Studium erhalten könnte.

Wieso jetzt sollen ein solcher Mix aus Bildung (die dann aber bis zur Hochschulreife komplett umsonst sein sollte) und Ausbildung nicht von denen mitfinanziert werden, die am meisten davon profitieren?

Mal ganz davon abgesehen, dass Studiengebühren in der Höhe von 500 Euro dem Namen kaum gerecht werden. Nein, ich möchte hier keinen Vergleich zu irgendeinem anderen Land bemühen – aber wenn die Semestergebühren an einigen Unis bis zu 200 Euro betragen (LMU:42), das relativieren sich die Mehrkosten ein wenig. Eine Mehrleistung von bis zu 83 Euro im Monat ist tragbar – das wurde oft genug bewiesen.

Viel Problematischer aber ist die Umsetzung. Es gibt mehrere Dinge, die man an den Studiengebühren kritisieren kann, und ich werde sie hier Stück für Stück durchkauen. Am wichtigsten sind die Belastung für sozial Schwache, die Verwendung der Gebühren, und die unflexible Zahlung.

Studiengebühren werden auf die falsche Art erhoben

Wer Probleme hatte, seine Studiengebühren zu bezahlen, der hat oft zu hören gekriegt, er solle doch einen Studienkredit aufnehmen. Studienkredite sind aber keine flexible, unproblematische Art, um finanzielle Durststrecken zu überwinden, sondern mit ähnlicher Bürokratie, mit ähnlichen Leistungsnachweisen wie beim Bafög verbunden. Nur dass man hier halt nicht geschenkt kriegt – auch nicht beim Scheitern, sei es auf dem Arbeitsmarkt, sei es beim Studium.

Es wurde schon öfter vorgeschlagen: Warum zahlt man eigentlich Studiengebühren während des Studiums, und nicht danach? Eine Art zinsloser Kredit bei der Uni, automatisch ausgestellt – und die Uni würde dann halt nicht sofort Geld erhalten, sondern erst einige Jahre nachdem die Gebühren eingeführt wurden. Damit wäre sie auch flexibler, Leistungen zu belohnen und Studiengebühren zu erlassen (was im übrigen einige Hochschulen für besonders gute Studenten machen, allerdings in Form einer Rückzahlung).

Oder wie wäre es mit Hochschulstipendien? Dabei würde kein Geld ausgezahlt – man würde nur talentierten Arbeiterkindern die Studiengebühren erlassen. Unis könnten damit Talente anlocken, und die Studiengebühren würden sozial verträglicher. Immerhin hatten Unis wie die LMU eine Härteklausel.

Im übrigen sind hohe Steuern eine Form der nachträglichen Gebührenzahlung: Wenn der Staat die Unis alleine finanziert, und Hochschulabsolventen besonders viele Steuern zahlen, dann finanzieren sie damit auch das Studium. Das war auch eines der besseren Argumente gegen die Gebühr.

Verwendung der Gebühren

Oh, hier gibt es doch so einiges zu kritisieren. Die Verwendung der Studiengebühren sollte auf keinen Fall Schlagzeilen produzieren; also schaffte man Unmengen an Klauseln, die den Verwendungsrahmen vorgeben. Wenn man dazu noch hinzufügt, dass die meisten Hochschulen mit einem Ende der Studiengebühren gerechnet haben und deshalb langfristige Ausgaben vermeiden wollten, dann versteht man langsam, warum die Verwendung oft so merkwürdig und zufällig anmutet.

Ob sanierte Toiletten, Neubauten für die die Hochschule gar nicht zuständig war, Technikspielzeug, Fachschaftsspielzeug (Kaffeemaschine, Freikarten für Veranstaltungen) – irgendwie war alles dabei, was man sich denken konnte. Natürlich auch durchaus sinnvolles – etwa zusätzliche Tutoren. Aber eben auch sehr vieles, was vermeidbar gewesen wäre und die Akzeptanz der Studiengebühren nicht gerade gesteigert hat.

Ein weiteres Problem war hier noch die mangelnde Transparenz. Wer wusste eigentlich, wie genau die Gebühren verwendet wurden? Oft ja leider nicht mal die Institutsmitglieder, weil, mal ehrlich, wer hatte welche Zuständigkeiten laut Gesetz? Es gab Ansätze, die Studenten an diesen Entscheidungen zu beteiligen – zum Großteil sind diese leider grandios gescheitert.

Wer aber Gebühren erhebt, die dann unterm Tisch, nach einem undurchsichtigen Gesetz ausgegeben werden, der darf sich nicht wundern, dass die Zahler das nicht so toll finden.

Sozialverträglichkeit der Studiengebühren

Das Konzept der Studiengebühren an sich, darüber haben wir ja schon geredet, ist nicht sozial ungerecht. Es trifft die Mittel- und Oberschicht deutlich öfter als die Unterschicht. Und nicht jeder ist im gleichen Maße von 83 Euro im Monat betroffen – wer zu Hause lebt, für wen die Eltern zahlen, der braucht sich darum weniger Gedanken zu machen. Selbst mit einem Stipendium kompensiert die Büchergelderhöhung die Studiengebühren. Und wer arbeitet, den trifft das, zumindest bei den Münchner Löhnen, etwas weniger stark. Wer aber von Bafög lebt, der hat ein echtes Problem.

Eines der Probleme liegt im Bafög selbst. Es wird bundesweit einheitlich ausgezahlt, beachtet dabei aber nicht, dass die Wohnungskosten seit Jahrzehnten immer stärker auseinander gehen in Deutschland. Bei Steigerungen in zweistelliger Höhe in Großstädten, denen Preisreduktionen oder gleichbleibende Wohnkosten in kleineren Städten und vor allem im Osten gegenüberstehen, ist es kein Wunder, dass Studenten in Großstädten kaum mit dem Bafög auskommen. Wenn man in einer Stadt wir Hamburg oder München dann noch Studiengebühren zahlt, ist es unmöglich, ohne einen Job zu überleben.

Kleines Rechenbeispiel: Wohnkosten inklusive Nebenkosten werden in München kaum unter 300 zu drücken sein, und das wäre ein sehr gutes Angebot auf Studentenheimniveau. Dazu zahlen wir mal 83 Euro Studiengebühren, knapp 40 Euro MVV Ticket und kalkulieren Bücher/Schreibwaren mal etwas großzügig auf 24 Euro pro Monat (je nach Fach viel zu wenig). Das wären insgesamt 447 Euro Fixkosten. Bei einem Bafögsatz von 597 Euro bleiben 150 Tacken zum überleben – und das bei traumhaft niedrigen Wohnkosten. Das ist so gut wie unmöglich.

Wenn wir aber ohne Studiengebühren rechnen, kommen wir auf 233 Euro – kein Luxus, aber schon eher am Existenzminimum. Anders formuliert: Da das Bafög die Studiengebühren ignoriert, machen es Studiengebühren unmöglich, allein auf Basis von Bafög zu überleben. Ohne eine Befreiung von Studiengebühren für Bafög-Bezieher oder eine Erhöhung des Bafögsatzes in Ländern mit Studiengebühren grenzt man arme Studenten aus.

Vernünftige, gerechte Studiengebühren wären möglich, es wird sie aber nie geben

Wenn man also den Zahlungsmechanismus flexibilisiert hätte; wenn man Studienkredite nicht über Banken organisiert hätte; wenn man die Verwendung transparenter, offener und einfacher gestaltet hätte; und wenn man mit Hilfe von Bafög Studiengebühren für das untere Zehntel kompensiert hätte – dann, ja dann hätten Studiengebühren funktionieren können und wären als mehr wahrgenommen worden denn als kurzfristige Finanzierungsmaßnahme.

Diese Chance wurde aber verspielt, und Schwarz-Gelb hat Studiengebühren auf Jahrzehnte hin diskreditiert. Wer wird das Risiko auf sich nehmen, schon wieder ein politisches Fiasko zu verantworten? Niemand, außer eben der FDP, und die hat genug Probleme. Jetzt bleibt halt zu hoffen, dass Ärzte, Juristen und andere Gutverdiener sich daran erinnern, wer ihr Studium finanziert hat – und anderen Generationen mithilfe von höheren Steuern auf die selbe Art helfen.

 

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2 thoughts on “Nachruf auf die Studiengebühren”

  1. DIE LINKE will Abschaffung aller eingeführten Studiengebühren erreichen und die Gebührenfreiheit des gesamten Bildungsweges – von der Kindertagesbetreuung bis zu Hochschule – im Grundgesetz verankern. DIE LINKE will, dass Deutschland mehr Geld für Bildung und Hochschulen ausgibt. Unter den Industrieländern sind die hiesigen Ausgaben für Bildung unterdurchschnittlich. Damit der Zugang zur Hochschulbildung nicht vom Elternhaus abhängt, wollen wir ein elternunabhängiges, bedarfsdeckendes BAföG als Vollzuschuss einführen. Und: Der Hochschulzugang für Menschen ohne Abitur, aber mit Berufsausbildung und –erfahrung muss besser abgesichert werden.

     
  2. In immer mehr Bundersländern wird die Studiengebühr abgeschafft, aber dort wo es diese noch gibt, bleibt auf den Schultern der Studierenden eine hohe finanzielle Last. Man kann nur hoffen, dass über kurz oder lang auch in den restlichen Bundesländern die Studiengebühr abgeschafft wird, damit alle Studierenden die gleiche Chance auf Bildung bekommen.

     

Juhu! Jemand, der nicht bei facebook kommentiert! Oldschool!