George W. Bush hatte viele Männerfreundschaften. Berlusconi, Blair, Schröder, ihnen allen wurde ein gutes, freundschaftliches Verhältnis zum Cowboy-Präsidenten nachgesagt, und die Karriere von allen ist vorbei. Naja, nicht von allen – ein alter Freund von Bush hat es jetzt geschafft, in Japan an die Regierung zurückzukehren und eine kurze Phase in der japanischen Politik zu beenden.
Als Shinzo Abe das letzte Mal Regierungschef wurde, beendete er die Koizumi Ära, eine für Japan erstaunlich lange Zeit mit demselben Premierminister. Ganze fünf Jahre amtierte der Nationalist, in brüskierte China und Korea gerne mal mit Besuchen am Yasukuni Schrein, der unter anderem japanischen Kriegsverbrechern gedenkt (und den deshalb alle japanischen Kaiser boykottiert haben).
Abe verzichtete dann auf solche Besuche, war aber nach knapp einem Jahr schon wieder Geschichte – durchaus üblich in Japan, wo die Regierungspartei LDP in über 50 Jahren Alleinherrschaft fast zwei dutzend Regierungschefs stellen durfte. In den letzten 10 Jahren aber hat sich eine Oppositionspartei herausgebildet, die zum ersten Mal kräftig genug schien, der LDP gefährlich zu werden – und wirklich, die DPJ gewann 2009 die Wahlen und stellte bis jetzt die Regierung.
Die LDP hatte ein halbes Jahrhundert Zeit, den japanischen Staat (und das heißt vor allem, die japanische Bürokratie) um sich herum aufzubauen. Wie verschiedene Studien etwa von Lijphart implizieren, leidet in einem solchen System die Effizienz – einfach gesagt, verkrusten Strukturen ohne dass es eine wirkliche Kontrolle gibt. Die DPJ hatte nun 3 Jahre Zeit, das komplett umzukrempeln (denn das hatte sie versprochen). Vielleicht hätte sie auch irgendwas erreichen können – aber in diese 3 Jahre fielen nunmal die Katastrophe in Fukushima und die darauf folgende (oder vielmehr, sich verschärgende) Wirtschaftskrise sowie außenpolitische Probleme mit China und Korea, zu denen man ja eigentlich bessere Beziehungen aufbauen wollte.
Man kanns auch anders sagen: Da geht der Wähler mal ein Risiko ein, und promt geht alles den Bach runter. Kein Wunder dass da ein Shinzo Abe, nicht zuletzt dank aggressiver Rhetorik gegen China und Korea sowie eines versprochenen Konjunkturpakets, an die Macht zurückkehren konnte. Und nicht nur dass – mit dem Koalitionspartner kommt er auf eine komfortable 2/3-Mehrheit. Mit dieser kann das Unterhaus das Oberhaus überstimmen.
Das ganze birgt jetzt einige Gefahren. Wenn ein Lager eine 2/3 Mehrheit gewinnt, ist das immer gefährlich – die Oppositions hat noch weniger zu sagen, und die Regierung kann (fast) machen, was sie will. In Ungarn zum Beispiel findet gerade eine Revolution von oben statt, inclusive neuer Verfassung, neuem Wahlrecht, Einengung der Justiz und Verfolgung der Opposition. Wenn die LDP zuviel Macht konzentriert, droht etwas ganz ähnliches.
Dem wirkt allerdings entgegen, dass beispielsweise Verfassungsänderungen sehr schwierig sind, es bedarf einer 2/3 Mehrheit in beiden Kammern. Außerdem hatte die LDP sehr viel Zeit für solche Vorhaben, sie hat solche Pläne aber vor allem in Wahlkampfzeiten gepredigt, ernsthaft verfolgt wurde keine – bis auf den Verfassungszusatz, der Japan nicht erlaubt, Militär zu besitzen. Wenn die LDP die kommenden Oberhauswahlen auch gewinnt, könnte eine solche Änderung in greifbare Nähe rücken.
Ein anderes Problem ist die Wirtschaftspolitik der neuen Regierung. Auslandsstudenten und Touristen können aufatmen: Der Yen soll wieder billiger werden. Die Notenbank soll wieder stärker intervenieren und eine noch aktivere Wirtschaftspolitik betreiben, um den Wechselkurs zu drücken und besser exportieren zu können. Die Idee ist weder neu noch originell – fragt sich halt nur, wie das zu machen sein soll. Von negativen Leitzinsen war da die Rede, wie auch immer das funktionieren soll. Selten hat die Metapher von der Geldpresse so gut gepasst wie hier. Soll man etwa Geld dafür kriegen, dass man sich Geld leiht? Oder soll es nur um die Symbolkraft für die Banken gehen?
Und weiterhin möchte er ein Konjunkturpaket auflegen. Mal wieder weder eine neue, noch besonders originelle Idee. Das Problem hier ist nur, dass Japan mit etwa 210% der BIP verschuldet ist – in Griechenland lag der Rekord bei knapp 160%. Wenn Japan in der EU wäre, wäre seine Staatsverschuldung 4 mal so hoch wie erlaubt – die Obergrenze leigt nach Maastricht bei 60%. So gesehen macht auch die Notenbankpolitik sehr viel Sinn: mit einer ordentlichen Inflation sind auch die Schulden weniger wert, und man kann sich aus den Staatsschulden herausdrucken.
Das größte Problem wird allerdings der krude Nationalismus sein, den Abe bedient. Wenn Nordkorea Raketen testet und China den japanischen Luftraum verletzt, dann kann man mit anti-chinesischer Stimmung einiges an Stimmen gewinnen. Und die bösen Lehrer, die in Geschichtsbüchern sowas wie eine Schuld der Japaner im 2. WK lehren, sind auch kommunistisches Landesverräter. Wenn man dann aber erst an der Macht ist, muss man sich die Frage stellen ob man das Geschirr wirklich zerschlagen will.
Eine revisionistische Schulbuchpolitik wäre ihm jedenfalls zuzutrauen. Immerhin wurde schonmal von oberster Stelle ein Bericht im Fernsehsender NHK über “Trostfrauen”, also Zwangsprostituierte im 2. WK, zensiert – soll ja keiner denken, ein japanischer Soldat könnte etwas Böses tun. Die Lehrergewerkschaften würden das nicht besonders toll finden, aber was sollen sie gegen eine 2/3 Mehrheit machen?
Ganz interessant wird dann sein Ansatz im Konflikt mit China sein. Die LDP hat eindeutig die besseren Kontakte zu Amerika. Blöd gesagt weiß die zuständige in der amerikanischen Behöre den Vornamen des zuständigen LDP Politkers – immerhin haben das jahrzehntelang dieselben gemacht. Aber ob dieser Konflikt noch mehr Konfrontation brauchen kann? Letztlich wird vieles davon abhängen, wie China jetzt darauf reagiert – wird es eine stärkere Regierung in Japan wahrnehmen und sich zurücknehmen, oder wird es eine provokativere Regierung wahrnehmen und den Konflikt weiter eskalieren lassen? Und wer wird die Oberhauswahlen gewinnen? Bei einer klaren Mehrheit für die LDP und einer aggressiven chinesischen Außenpolitik ist leider alles möglich – sogar eine militärische Eskalation.