Die Pfeifen rauchen es von den Dächern (oder so ähnlich) – Peer Steinbrück ist Kanzlerkandidat, und so wirklich glücklich ist nur die FDP. Die hat nämlich kurz bevor es offiziell wurde nochmal bestätigt dass sie ihn lieb hat und mit ihm sogar koalieren würde. So wenig man Steinbrück mögen muss – es hat auch was Gutes.
So wirklich glücklich war die SPD nicht, als Steinbrück als Spitzenkandidat angekündigt wurde. Zu wenig hält der Mann von der eigenen Partei, fremdelt mit dem linken Flügel, der in den Jahren der Opposition endlich wieder etwas Land sah. Jemand, der die Agenda 2010 verteidigt, ja mit kreiert hat, der am liebsten die Kavallerie in die Schweiz schicken will (aka ein starker Mann, urdeutsche Betonung bitte einfügen), der Merkel ähnlicher ist als irgender sonst, der Deregulierung betrieben hat bis vor wenigen Jahren?
Stellt sich jetzt noch die Frage – aber wer denn sonst? Sigmar Gabriel, der angeblich den Job aus familiären Gründen nicht will und der miserable Beliebtheitswerte hat? Oder Steinmeier, der die Wahl 2009 versemmelt hat und der SPD ihr schlechtestes Ergebnis der Nachkriegszeit beschert hat, übrigens nochmal schlechte als die Umfragewerte es erahnen ließen? Und dann wäre da noch Frau Kraft, die den Teufel tun würde und ihr schönes NRW, wo man sie mag und wo sie Wahlen gewinnt, eintauschen würde gegen den Bund, wo sie nur verheizt würde in einem Kräftemessen mit Merkel. Kurzum: Steinbrück war, wie würde Merkel sagen, alternativlos. Ich würde ja sagen, vorhersehbar und prinzipiell langweilig, aber gut.
Da können die Linken und Grünen sich, nunja, grün ärgern. Besonders schön, wenn man merkt wie Trittin (ganz der elder statesman) artig gratuliert, während Volker Beck und zahllose andere Gründe in den hinteren Reihen eher entsetzt sind. Zu sehr schmerzen noch die Erinnerungen aus der NRW Zeit, als die Grünen plötzlich mit dem wohl schlechtesten Koalitionspartner aller Zeiten zurechtkommen mussten, das Klima soll grauenvoll gewesen sein, der Ton herablassend. Und die Linke hat nunmehr keine Chance, noch mit Steinbrück zu koalieren – erstens will der wohl nicht, zweitens würden sie jegliche Basisnähe verlieren wenn sie die personifizierte Agenda 2010, also ihren eigenen Existenzgrund und Abgrenzungspunkt, unterstützen. Andererseits können sie sich jetzt mit den Piraten um die linken Stimmen kloppen, die abfallen, wenn Steinbrück in die Mitte prescht.
So, das war jetzt auch eigentlich alles, was man zu Wahl sagen muss. Wenn die Regierungskoalition nicht einen Geniestreich gebracht hätte, für den ich ihr auf ewig dankbar sein werde – sie hat Steinbrücks Nebeneinkünfte thematisiert.
Ein Abgeordneter verdient pro Monat fast 8000 Euro plus Spesen bspw für Bürohilfen. Wer sich das mal beispielhaft anschauen möchte, was ein Abgeordneter so an Geldern zur Verfügung hat und was er für Ausgaben tätigen muss, der sollte Ulrich Kelbers Homepage besuchen. Schöne Transparenz, da weiß man als Bürger, was man hat. Leider ist das nicht Standard.
Etwa ein Drittel aller Bundestagsabgeordneten haben Nebeneinkünfte. Und diese sind nun einmal im öffentlichen Interesse. Wenn jemand bei einem Staatsunternehmen dreimal soviel verdient wie er als Abgeordneter regulär erhält, der ist eben nicht gerade vertrauenswürdig, wenn es um Gesetzesvorschläge zu ebendiesem Staatsunternehmen geht. Wenn er dann auch noch Minister wird, oder fünfstellige Beträge für einzelne Vorträge bei Wirtschaftsunternehmen erhält, dann liegt ein Interessenskonflikt vor.
Nur, momentan wird das schlicht nicht erfasst. Ob jemand 8.000 oder 300.000 Euro Nebeneinkünfte hat, wird nicht erfasst, beide fallen in dieselbe Kategorie.
Interessanterweise sind die meisten der Abgeordneten mit Nebeneinkünften in der SPD, aber auch in der CDU und der FDP, also bei denjenigen, die momentan Steinbrück dafür attackieren. Und interessanterweise blockieren genau diese Parteien bisher Vorschläge von Grünen und Linken, das zu ändern. Das diese Parteien bisher am meisten Druck in der Richtung machen, wird im übrigen nicht nur an ihrere moralischen Überlegenheit liegen, sondern auch daran, dass sie generell weniger Wirtschaftsnah sind und weniger Gelder von denen erhalten, denen ein solches Gesetz schaden würde.
Jetzt aber ist das Thema raus und wird großartig diskutiert. Und ganz ehrlich? Gut so! Es ist letztlich vollkommen uninteressant, wieviel Nebeneinkünfte ein Kanzlerkandidat hat, denn sobald er Kanzler wird, darf er gar keine mehr haben. Aber solange er noch ein Mitglied des Bundestages ist und Schwarz-Gelb politisches Kapital daraus schlagen möchte, besteht die Hoffnung, dass sich grundlegend etwas ändert im Bundestag und künftig Nebeneinkünfte offen gelegt werden müssen.
Dumm nur – bisher scheint es am wahrscheinlichsten, dass die bisherigen 3 Stufen ersetzt werden durch mehr Stufen. Soll heißen, bisher man gibt an, ob man bis 3.500, bis 7.000 oder mehr als 7000 ezro verdient – bald gibt es aber 6 Stufen, die bis zu einer “6 stelligen Summe” reichen.
Das mag ja wunderschön sein. Aber wieso wird es nicht einfach zur Pflicht erhoben, jede Nebeneinkunft detailliert aufzubereiten? Wer zahlt wieviel? Je nachdem, wie die Stufen angelegt sind, gewähren sie weiterhin nicht besonders viel Auskunft.
Mein Lieblingsargument an dieser Stelle: Wir beschädigen das Ansehen der Politiker, indem wir ihnen hier zuviel unterstellen.
Ähm, wie bitte? Es beschädigt das Ansehen der Politiker nicht, Jahrelang eine Anti-Korruptionsregelung der UN zu missachten, nein, das Ansehen wird dadurch bestätigt, da drüber zu reden?
Liebe MdBs, wir leben nicht mehr in einer Zeit, als grobe Daten (“ich kriege pi mal Daumen mehr als 7k von Unternehmen xy) der Öffentlichkeit reichen; es gibt heutzutage allen ernstes Politiknerds, die sich solche Zahlen en detail durchlesen und daraus auch etwas machen. Zum Beispiel bei Gesetzesvorschlagen besonders genau hinschauen, wenn die verantwortlichen Politiker hunderttausende Euro aus der betroffenen Branche erhalten haben. Auch die Politikwissenschaft wäre euch da sehr dankbar, denn die reinen Zahlen sind dann doch viel leichter zu verwerten, wenn man eine entsprechende Studie durchführen möchte.
Aber was rede ich denn; in einer Woche redet keiner mehr über Nebeneinkünfte, weil letztlich will man damit ja Wahlkampf machen, nicht Korruption bekämpfen. Wo kämen wir da denn hin.