(3) Warum ich Antideutsche nicht leiden kann

Ja, wie versprochen gehts jetzt langsam mal weiter. Heute auf dem stets zu humoristischen ebenso wie zu edukativen Zwecken errichteten Opferaltar – die Antideutschen.

Huch, mag sich jetzt manch einer fragen – was ist das denn? So ne Partei kenn ich ja gar nicht! Rüschtüsch, die gibts ja auch gar nicht. Die Grünen wurden mal mit denen in Verbindung gebracht, und generell alle linken bis linksextremen Parteien – aber das ist meist nur kurzzeitig, langfristig haben sich die Antideutschen ja eigentlich von jeder politischen Strömung abgewandt, nur in der Antifa ist ihr Einfluss nach wie vor sehr groß. Wobei “Antifa” als einer der Antideutschen Strömungen durchgehen kann – m.M.n. auch als eine der sympathischeren. Aber fangen wir mal wo anders an.

Beim Anfang zum Beispiel. Historisch gesehen gibt es die Antideutschen seit dem 2. Weltkrieg – während ein Großteil der Nation erst nach und nach Begriff, was damals eigentlich passiert war und sich fragte, wie so etwas geschehen konnte, wussten die Antideutschen es recht genau – daran schuld war die “Deutschtümelei”. Daraufhin war dann alles schlecht, was “deutsch” war – besonders erwähnenswert in dem Kontext ist Adorno, der mit seiner Gesellschaftsanalyse und seiner Ablehnung von Nachkriegslyrik und inbesonderer deutscher Kulturschaffung viele Antideutsche beeinflusste und dessen Texte auch heute noch gerne von der Antifa verbreitet und gelesen werden. Damals aber sprach man nicht wirklich von “Antideutschen” als einer eigenständigen linken Strömung – im Gegenteil, eigentlich waren alle “echten” Linken mehr oder weniger Antideutsch, Slime (diese legendäre punk/hc-punk band) traf den Nerv einer ganzen Szene mit Texten wie “Deutschland muss sterben damit wir leben können”. Neben der Ablehnung von allem, was deutsch ist, war die Solidarität mit den Juden und später Israel besonders wichtig. Die echte Abspaltung der Antideutschen fand dann auch anlässlich der 2. Intifada statt – während die sogenannten Antiimperialisten die Palästinenser als Opfer des europäischen Imperialismus sahen und daher deren Aufstand gegen, wie man meinte, europäische Unterdrückung und Europas Stellvertreter, also Israel, unterstützten, standen die Antideutschen für eine unbedingte Loyalität zu Israel. Das war in etwa der (insbesondere moralische) Höhepunkt der Antideutschen; im folgenden nahm man nämlich “die Palästinener” immer stärker als Bedrohung war, ebenso wie “den Islam”, der bald zu einem neuen Feindbild neben dem “deutschsein” mutieren durfte. Man werfe dazu nur einen Blick in die bahamas – der Stürmer lässt grüßen. So wurde aus dem berechtigten Misstrauen gegenüber jeder Andeutung von Nationalismus sowie der ebenso berechtigten Unterstützung Israels das generelle Misstrauen gegenüber einer bestimmten Menschengruppe.

Besonders wichtig dabei waren Kriege; neben der Intifada waren das der 2. Golfkrieg, der unterstützt wurde, weil es gegen die Feinde Israels ginge – manche wollten schon damals den Einsatz einer Atombombe. Aus einer Pazifistischen Strömung kann so schnell eine werden, die schnell nach Köpfen fordert, gelle? Und natürlich war der Einmarsch in Kuwait ebenso legitimierbar wie die Vergasung von Kurden (mit deutschem Giftgas) – nur Israel durfte nicht in ferner Zukunft bedroht werden. Der Jugoslawienkrieg wurde dann auch gleich umdefiniert – der Historizismus des Konfliktes war besonders wichtig, Jugoslawien werden schon wieder von deutschem Großmachtstreben bedroht, also musste Milosevic unterstützt werden. Man stelle sich das vor – jetzt war man nicht mehr Antinationalistisch (die gab es auch, aber um die geht es nicht), sondern man war explizit gegen deutschen Nationalismus, während die Existenz Serbischen Nationalismus geschützt werden sollte. Die USA, als einzige Unterstützer Israels, erlangten im Laufe der Zeit Antideutsche Immunität.

Den Antideutschen kann man sich als wirklich arme Person in einer sehr dunklen Welt vorstellen – Deutschland ist böse, Europa mittlerweile ingesamt auch, die dritte Welt, soweit sie islamisch ist, ebenfalls, und der Rest der Welt, solange er gegen die USA agiert, schon längst. Die USA sind nicht gut; sie sind sakrosankt, ebenso Israel. Erschüttert wird die Welt von gewaltsamen Konflikten, die alle darauf ausgerichtet sind, Israel auszulöschen – vor allem, wenn die Konflikte sich im Internet oder in den Medien abspielen. Dann nämlich will wieder die chronisch antisemitische Linke, zusammen mit Muslimen und Nazis (wenn man denn überhaupt zwischen diesen trennt) auf Judenjagd gehen. Jeder Krieg auf der Welt muss nach zwei Kriterien abgewogen werden – nutzt er Israel und schadet er Muslimen? Beides sind zu erreichende Ziele. Und die USA irren nicht, es sei denn, Deutschland hatte seine Finger im Spiel. Um ihn herum gibt es nur eine Meinungsmehrheit, die ihn erdrückt – selbst wenn er seine Publizisten dauernd in wichtigen Medien lesen darf.

Dass dabei so viele ursprüngliche Werte geopfert wurden, merken die wenigen, die noch Antideutsch sind, gar nicht. Kritik muss an jedem Staat der Welt erlaubt sein, egal um welchen es geht. Es darf da – uiuiui ich darf Westerwelle zitieren! – es darf da keine Denkverbote geben (seht ihr, hab euch doch lieb)! Sonst geht der kritische Charakter verloren. Gleichzeitig muss man sich an bestimmte Dinge halten, die eigentlich ja Anstandssache sind – und das kann man eben nicht nur bei Israel geltend machen, sondern bei jedem Staat der Welt. Heißt, wer mir vorwirft, Israel zu harsch zu kritisieren und die Grenze zum Antisemitismus zu streifen, der sollte selbst nicht “den Muslim” als das Übel der Welt darstellen – etwas, das viele Antideutsche gerne übersehen. Jemand, der sich über islamische Orthodoxie aufregt, sollte jüdische Orthodoxie nicht als Fest der Kulturen verklären – sondern Religionskritik überall anwenden.

Und vor allem: Jemand, dem die unsäglichen Verbrechen der Nazis ebenso am Herzen liegen wie der jahrhundertealte europäische Antijudaismus, der sollte nienicht den Begriff “judäochristliches Abendland” in den Mund nehmen; wenn ich dabei an die Naziverbrechen denke, muss ich bei diesem (im übrigen nicht primär die Juden inkludierend, sondern primär alle anderen exkludierend gemeinten) Begriff brechen.

Antideutsche haben nach wie vor verschiedene Prägungen; die Antideutschen Antifaler konzentrieren sich meist auf den Rassismus in Dtl und auf Antinationalismus, auf Solidarität mit Israel, auf linke Gesellschaftskritik sowie auf übelst verschwurbelte Erklärungen, warum Fußball quasi den Beginn des nächsten Weltkrieges bedeutet – alles in allem also recht nette Zeitgenosse, wenn man nicht gerade mit ner Deutschlandfahne an die radikaleren gerät.

Die in der Öffentlichkeit stärker vertretene Gruppe stellen aber die nicht genauere definierten Antideutschen, die meist kapitalistisch, verlogen und teilweise unbewusst nationalistisch/rassistisch sind, sowie eine unglaublich große Gruppe von Personen, die sich nicht als antideutsch verstehen, die aber insbesondere von radikalen Linken als antideutsch bezeichnet werden – und dann gibts noch meinen persönlichen Favoriten, Henryk M. Broder. So wirklich definiert ist der Begriff dummerweise aber nicht – entsprechend ist die Frembezeichnung meist entscheidend.

Bei dem, was viele Antideutsche von sich geben, gehen oft die vernünftigen Botschaften unter; so etwa der nach wie vorhandene Antisemitismus in der deutschen Linken, ebenso wie der Gegenpol, den sie zum einseitig amerikafeindlichen Bild vieler Linker bilden – dumm nur, dass sie selbst so stark vereinfachen, dass sie an der Überkeitsgrenze vorbeisegeln. Ein besonders positives Beipiel für einen diffenzierten Denke mit oft antideutschen Positionen ist Alan Posener – das Negativbeispiel mit der Achse des Guten und deren Haupinitiator Broder, der mal eben Muslimen das Recht auf (friedliches) Leben abspricht, habe ich bereits gebracht. Neben dem geifernden Muslimhass werden die restlichen Positionen gerne vergessen (und wer meint, ich würde den M-Aspekt überbewerten, der schaue sich mal die bahamas beim Zeitschriftenhändler seine Vertrauens an – andere Themen haben die nicht!). Und ja, ich oute mich mal als kurzzeitiger Jungle World und Antideutschen-Sympathisant, bis ich gemerkt hab, dass ich eine andere Definition von “antideutschem Gedankengut” hatte und die Jungle World auch nur eine bessere bahamas ist (die mich wirklich und nachhaltig schockiert hat. Das hat die Junge Freiheit nicht geschafft, die leugnen ihre Gesinnung wenigstens!)

Diese werden dafür von anderen Strömungen vertreten (wie den Antinationalisten und meiner persönlichen Lieblingsströmung, den differenziert Denkenden, auch bekannt als D&D).

 

Flattr this!

3 thoughts on “(3) Warum ich Antideutsche nicht leiden kann”

  1. Das sogenannte Antideutsche mit Adorno argumentieren ist ja irgendwie ziemlich paradox, denn was wäre denn die antideutsche Position anderes als die sogenannte “Ticketmentalität”(Also das Denken in totalen Deutungsmustern), die Adorno als in sich antisemitisch ansieht ?
    “Seit je zeugte antisemitisches Urteil von Stereotypie des Denkens. Heute ist diese allein übrig. Gewählt wird immer noch, aber einzig zwischen Totalitäten.” (Dialektik der Aufklärung, S. 210)

    Ich weiß nicht ob die eine Textstelle die ich gefunden habe Adorno nicht-anschlussfähig für Antideutsche macht, aber zumindest ist für mich die Richtung seines Denkens eine ganz andere als das Blockdenken der Antideutschen.

     
  2. Sagen wir mal so, “Antideutsche” als echte Bewegung gibt es nicht wirklich. Es ist ein eher diffuser Begriff aus sehr unterschiedlichen Strömungen, und Adorno selbst wird auch nur gerne gelesen, ist aber definitiv kein Programmschreiber. Allgemein war aber eine der Grundideen der Hass auf jede Form des Faschismus und der Gedanke dass “Deutsch sein” nach Hitler untrennbar mit Faschismus verbunden ist. Und genau da würde imo auch die Anschlussfähigkeit liegen.

     

Juhu! Jemand, der nicht bei facebook kommentiert! Oldschool!