Fundstücke aus der Blogosphäre (5)

Ich war mal wieder unterwegs in der Blogosphäre, diesmal zum Thema Minarett-Verbot in der Schweiz. Tja, kein Wunder dass ich bei meinen “Freunden” von der Achse des Guten fündig werden kann…Danke an Spreeblick, den einzigen Lichtblick in der heutigen Zusammenstellung an Blogartikel.

Fangen wir an mit Broder und Co. Da wird etwa aus einer fremden Quelle begeistert folgender Text zitiert:

The question though is why should non-Muslim countries be expected to grant rights and privileges to Muslims, that Muslims are not willing to grant to non-Muslims? Why should France and Germany respect the Burka while Christian schoolgirls are whipped in Sudan for wearing to the knee skirts? Why should Christian and Jewish countries guarantee equal rights to Muslims, when Muslim countries treat their Christians and Jews as second class citizens? Why should Muslim guest workers in Germany have rights, when Asian guest workers in Dubai are treated like cattle? Why should Muslims be able to have mosques in Jerusalem and Rome, when no non-Muslim is even granted access to Mecca since Mohammed’s original ethnic cleansing of the region? Why should Muslims in Switzerland be able to erect their minarets, while churches are being torched in Yugoslavia? And finally and above all else, if non-Muslims cannot live in peace and equality in Muslim countries– then why should Muslims expect to live in peace and equality in Europe, Australia, North-America and Israel?

Moment mal – das heißt, “die Muslime” tun etwas? Wenn ich also ein Minarett bauen möchte, dann darf ich das nicht, weil ich zuvor dafür verantwortlich war, dass in Saudi-Arabien keine gebaut werden? Und das, obwohl der Einfluss diverser westlicher Regierung in SA zumindest größer sein dürfte als der meinige?
Aber nicht nur das – ich darf ja nicht nur keine Minarette bauen (da hätt ich jetzt auch kaum mit weinen angefangen), ich darf auch nicht mit Frieden und Gleichberechtigung in diesem Land rechnen. Hey, mein Argument gegen solche Verbote war bisher, dass man mir auch keine demokratischen Grundrechte und Menschenrechte nehmen dürfe, nur weil irgendwo auf der Welt Muslime diese Christen nicht gönnen – aber hier wird meine gesamte Argumentation punktgenau durch ein beeindruckendes Ausmaß an Ignoranz, Selbstherrlichkeit und Rassismus zerstört. Man darf mir meine Rechte nehmen, einfach so – zack, eine Prämisse, die alles kaputt macht, was ich von Europa erwartet hatte. Und noch besser – das ganze kann dann auf der Achse des Guten gelesen werden, als ein “Fundstück”. Broder als seriöser Journalist ist endgültig gestorben.

Aber es geht noch schöner. Bernd Zeller darf sich über Multikulturalismus – ja, auskotzen. Und offenbart dabei eine schon erstaunliche Entfremdung von allem, was irgendwie Multikulturalismus befürwortet oder sogar (oh mein Gott!) linke ist. Hmm jetzt muss ich aber aufpassen – ich hab “Gott” geschrieben. Hab ich als Moslem ja kein Copyright drauf, gehört ja zum “judäo-christlichen Abendland”. Als Jude würde ich bei diesem Begriff wohl Übelkeit verspüren, aber gut, wir wollten ja über Herrn Zeller sprechen.

Der Islam mitsamt islamistischer Gewalt gilt als Auswuchs der Spaßgesellschaft und irgendwo als Alternative zum verhassten Staat. Es wundert nicht, dass der Islam besonders von denjenigen verteidigt wird, die ohnehin den Staat als illegitim ansehen.

Eine unglaubliche weise und schöne Einsicht. Hey – die katholische Kirche und der ZDJ halten den Staat für illegitim, ebenso wie die demokratischen Parteien in Deutschland. Weiter gehts:

Es wäre an der Zeit, Wörter und Begriffe zurückzuerobern, warum nicht auch den Quatschbegriff Multikulturelle Gesellschaft. Versteht man ihn wörtlich, muss man feststellen, dass der Islam den Gegenentwurf dazu darstellt. Wo der Islam hinkommt, wird die Kultur weniger. Es gilt daher, die multikulturelle Gesellschaft gegen die Dominanz des Islam zu verteidigen. Die Schweizer haben den Anfang gemacht.

“Wörter und Begriff zurückerobern”? Klingt das eigentlich nur für mich wie aus einem rechtsradikalen Forum? Und der Islam verringere Kultur – wie darf man das denn verstehen? Rottet der Islam andere Kulturen aus oder sorgt er nur, einer intelligenzfressenden Krankheit gleich, Kultur”güter” wie etwa Literatur aus? Und deshalb sollen wir also die Gesellschaft gegen eine dominante Religion verteidigen, die ersteinmal keine handelnde Entität ist und die wenige Prozent der Bevölkerung stellt? Ehrlich, manchmal kann ich nicht so viel essen wie ich…naja, das Wort hab ich jetzt etwas inflationär verwendet, tut mir ja leid. Kommen wir zu erfreulicherem – auf die verstörenden Äußerungen eines Piraten, Alexander Koenigs, reagierte man drüben bei Spreeblick etwas böse und einfach nur genial:

Ich möchte die Piratenpartei gerne wählen können und gönne ihr eine großartige Zukunft. Ich muss dabei mit einer Partei, die meine Stimme will, nicht in jedem einzelnen Punkt übereinstimmen, das halte ich sogar für völlig unmöglich. Ich erwarte jedoch von einer solchen Partei den Konsens eines erstrebenswerten Gesellschaftsbildes, das tatsächlich alle Teile der Bevölkerung berücksichtigt und auf welches sich alle Parteimitglieder unabhängig von Detail-Querelen einigen können. Ich erwarte den deutlich erkennbaren Versuch der Antwort auf die Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. Denn nur auf Grundlage eines solchen Konsens’ kann politische Arbeit sinnvoll aufgenommen werden.

Daran scheitert die Piratenpartei bisher jedoch glamourös. Stattdessen wird so getan, als habe man gerade die Demokratie erfunden. Da wird alte Hippiescheiße als innovative Neuerung gefeiert (wir diskutieren alles solange, bis keiner mehr weiß, worum es eigentlich ging oder bis es für eine Entscheidung zu spät ist) und die Macht der Mehrheit wird solange beschworen, bis man feststellen muss, dass man sie nicht hat. Was am Ende aber nur gut sein kann, denn vielleicht führt dies zur Erkenntnis, dass es nicht allein die Mehrheiten sind, die Aufmerksamkeit brauchen, sondern auch die Minderheiten.

Zwar ging es im von mir zitierten Teil vor allem um die Piraten, aber der Text im gesamten (den man sich auf jeden Fall einmal anschauen sollte) wirkte heute doch sehr wie Balsam für meine geschundene Seele.

 

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2 thoughts on “Fundstücke aus der Blogosphäre (5)”

Juhu! Jemand, der nicht bei facebook kommentiert! Oldschool!