Heute: Lizas Welt und der Mossad.
Der gestrige Post wurde ja recht kritisch betrachtet; im Kommentarbereich wegen des “Israelbashings” und anderswo wegen des Westerwelle-bashings (ohne Anführungszeichen, da weder ein Zitat noch unfreiwillig). Nun, zumindest mit dem Israelthema hat sich Lizas Welt beschäftigt, und da muss ich jetzt einfach mal gegen halten. Doch zunächst mal einige Worte zum Blog – ich lese Lizas Welt regelmäßig, da dort gut argumentiert wird, auch wenn ich eigentlich nie irgendwelchen Argumenten zustimmen konnte – dafür musste ich allerdings besser Argumente haben und konnte die ihren nicht einfach so in der Luft zerreißen. Umsomehr Spaß wird es mir jetzt machen, im folgenden einiges in diesem Artikel auseinanderzunehmen.
Es ist schon bezeichnend: Während die Hamas höchstselbst inzwischen vermutet, dass die gezielte Tötung ihres Frontmanns Mahmud al-Mabhuh in einem Hotel in Dubai auf das Konto der jordanischen oder ägyptischen Regierung oder der Palästinensischen Autonomiebehörde geht, ist man in Europa ganz sicher: Das kann nur der israelische Geheimdienst Mossad gewesen sein.
Moment mal, der Artikel ist vom 02.02.2010, also von vor 3 Wochen. Mittlerweile sind Interpol und EU immernoch der Ansicht, dass Israel wahrscheinlich in die ganze Sache verwickelt ist; genaueres wurde allerdings nicht offen gelegt. Was tut man also, wenn man keinen umfangreichen Zugriff auf Daten hat? Entweder, man glaubt nichts mehr (das würde zu Verschwörungstheorien führen) oder man glaubt das am ehesten, was aus den vertrauenswürdigeren Quellen kommt. Und wenn ich normalerweise sagen würde, dass die Hamas verlogen, nicht vertrauenswürdig, korrupt, unberechenbar und von dubiosem Eigeninteresse getrieben ist, wer hätte mir als allererstes zu dieser Erkenntnis gratuliert? Dieselben, die jetzt verlangen, man solle nicht länger auf die eigenen Geheimdienste und Behörden hören, sondern auf die Hamas, nicht, weil die Hamas auf einmal vetrauenswürdig geworden sei, sondern weil dass, was sie sagt, schon besser klingt und weil, man höre und staune, die Hamas mit Israel verfeindet sei und von daher nichts tun würde, um Israel zu entlasten, also sei alles, was in diese Richtung gehe, Wahrheit. Dass ich mich dieser Logik nicht anschließen mag, weil sie ebenso sophistisch wie unobjektiv ist, das möge man mir verzeihen; eins muss man aber doch vehement angreifen, und zwar, dass man in Europa sicher sei, dass es der Mossad gewesen ist. Alles, was zumindest ich bisher in Artikeln gelesen habe, war, dass der Mossad verdächtigt wird und dass die EU sich in eher zurückhaltender Weise beschwert; den entscheidenden Teil dafür hatte ich bereits zitiert:
Tatsächlich haben die Minister nun in einer Stellungsnahme den Mord “scharf verurteilt”, ohne jedoch eine explizite Anschuldigung gegen Israel auszusprechen. “Das spielt aber keine Rolle – die Botschaft wird klar sein. Wie viele Länder können denn gemeint sein?”, sagte der Diplomat vor dem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel.
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) beschuldigen den israelischen Geheimdienst Mossad, am 19. Januar in einem Luxushotel in Dubai den Hamas-Kommandeur Mahmud al Mabhuh ermordet zu haben. Israel hat eine Beteiligung weder bestätigt noch dementiert.
Die VAE, die im übrigen (anders als die Hamas) zugriff auf Daten, Ermittlungsergebnisse und Ähnliches hatten, beschuldigen Israel. Das muss natürlich auch nichts heißen, Stichwort Subjektivität – eine bessere Quelle als die Hamas ist das aber auf jeden Fall. Achja, natürlich hätte sie auch andere, aktuellere Artikel nehmen können, in denen zumindest die Möglichkeit angesprochen wird, dass der Mossad verantwortlich ist für den Anschlag – hey, analog zu der Logik von eben muss das doch heißen, dass Israelis kein Interesse daran haben, ihr Land möglicherweise schlecht dastehen zu lassen, wenn die Möglichkeit also für einen Israeli besteht, dann muss sie Wahrheit sein!
Als vor rund fünf Jahren der langjährige libanesische Ministerpräsident Rafik al-Hariri in Beirut von einer Bombe zerfetzt wurde, die aller Wahrscheinlichkeit nach auf das Konto der syrischen Regierung und syrischer Sicherheitskreise ging, gab es übrigens nicht einmal einen Bruchteil der jetzigen Empörung – obwohl die Detonation weitere 22 Menschen das Leben kostete.
Das ist einfach nur eine phantasievoll ausgeschmückte Lüge – auf die Empörungswelle warte ich noch (siehe oben), es wurde eher sowas wie Missfallen ausgedrückt, und bei hariri (wie kommt sie jetzt auf den?) sah es ganz anders aus. Das ist pure Realitätsverkennung. Nur ein kleiner Auszug der Geschehnisse damals aus einem aktuellen Tagesspiegel-Artikel:
1,5 Millionen Menschen campierten damals aus Protest auf den Plätzen Beiruts. Sie machten Syrien für die teuflische Tat verantwortlich und forderten ein Ende der militärischen Besatzung. Eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen unter der Leitung des deutschen Ermittlers Detlev Mehlis kam in einem ersten Bericht zu dem Schluss, dass Teile der libanesischen Sicherheitskräfte ihre Hände mit im Spiel hatten und deutliche Spuren nach Damaskus führten. Washington zog daraufhin seinen Botschafter aus Syrien ab. Die ehemalige Mandatsmacht Frankreich verhängte eine diplomatische Kontaktsperre. Und der bedrängte Präsident Bashar Assad lieferte sich mit Saudi-Arabien erregte Wortwechsel. Die Libanesen schließlich wählten mit der “Allianz 14. März” eine sunnitisch-prowestliche Koalition an die Macht. Syrien dagegen musste nach 29 Jahren seine Truppen auf internationalen Druck aus dem kleinen Nachbarland abziehen – eine schmähliche Niederlage.
Während der Zeit um den Mord al al-Hariri gab es nicht viel politisches, an das ich mich erinnern kann, damals war ich aus persönlichen Gründen nicht besonders gut informiert; das hatte ich aber mitbekommen und es hatte mich nachhaltig erschüttert, insofern kann ich zumindest davon ausgehen, dass meine Rezeption um einiges anders war als Lizas.
Danach wird dann ein bisschen über die Geschichte des Michael Bodenheimer erzählt – enden tut dieser Absatz mit:
Da mussten sich die deutschen Reporter natürlich sofort an die Fersen dieses Judenlümmels heften, der die allzeit unbestechliche deutsche Bürokratie mit dem Holocaust übers Ohr zu hauen gewagt hat.
Ein Wort:
Wozu?
Spiegelbashing? Deutschenbashing? Bürokratiebashing? Und was war der Grund dafür? Dass der Spiegel recherchiert? Dass er es nicht toll findet, dass deutsche Ausweise für einen Anschlag verwendet wurden?
Aber selbst wenn der Mossad tatsächlich für den Tod al-Mabhuhs verantwortlich sein sollte: Was gibt es daran zu kritisieren?
Richtig; Der Mann hatte alles andere als eine reine Weste. Dennoch gibt es moralische Probleme ebenso wie diplomatische; Stichworte wären “nationale Souveränität”, “Rechsstaat” und “Mord”. Aber gut, dazu hatte ich mich ja bereits geäußert.
Ganz unabhängig von der Frage, wer Mahmud al-Mabhuh nun ins Jenseits beförderte, gebieten es allerdings bereits die deutschen und europäischen Verurteilungen des Mossad, eine Lanze für den israelischen Auslandsgeheimdienst zu brechen. Wäre beispielsweise Adolf Eichmann jemals seiner gerechten Strafe zugeführt worden, wenn ihn der Mossad nicht 1960 aus Buenos Aires entführt hätte? Und wären etwa die palästinensischen Terroristen, die während der Olympischen Spiele 1972 in München israelische Sportler ermordeten, ohne den Mossad jemals unschädlich gemacht worden?
Ebenfalls richtig; Eichmann und Olympia. Das waren Operationen des Mossad, die mehr als nachvollziehbar waren; allerdings war zumindest die Festnahme Eichmanns ein kleineres diplomatisches Desaster, dessen Ausmaße sich aus zwei Gründen in Grenzen hielten – NATO-Geheimdienste hatten nichts dagegen, diplomatische Unerstützung gab es von Anfang an (auch, weil “nur” die argentinische Sourveränität verletzt wurde, europäische Pässe wurden nicht verwendet) und zweitens ging es um Nazis und den Geheimdienst eines jüdischen Staates. Nur ein politischer Vollidiot hätte da eine diplomatische Krise riskiert.
Eichmann ist kein Mabhuh, und Argentinien entspricht als betroffenes Land nicht zahllosen Pässen aus verbündeten Staaten, die offensichtlich nicht informiert waren.
So, wie der Antisemit den Tod des Juden will (Jean-Paul Sartre), so wollen Israels Feinde die Auslöschung des „Juden unter den Staaten“ (Léon Poliakov). Diesen Feinden zeigt Israel den Preis und die Grenzen ihrer Sehnsucht beizeiten mit Hilfe seiner Armee und seiner Geheimdienste auf, denn nur diese Sprache verstehen sie. Und sie bekommen zu spüren, dass es für sie kaum einen Ort auf dieser Welt gibt, an dem sie ungestört und ohne Risiko an der Verwirklichung ihrer vernichtungswütigen Pläne arbeiten können.
„Es ist unpopulär, das zu sagen, aber ich bewundere es, wie die Israelis die Dinge erledigen“, schrieb Melanie Reid in einem bemerkenswerten Kommentar für die Londoner Times. „Sie wollen etwas, und sie bekommen es. Sie erkennen jemanden als ihren tödlichen Feind und bringen ihn um. Sie werden geschlagen und schlagen zurück. Sie verschwenden keine Zeit damit, sich über etwas den Kopf zu zerbrechen, es zu erklären oder zu rechtfertigen. Sie handeln einfach. Diese Absolutheit, die auf ihrer Geschichte gründet, hat ein ganz eigenes moralisches Gewicht. Sie könnten ihre Politik natürlich verteidigen, wenn sie es wollten, aber sie haben keine Lust dazu, denn es ist eine Vergeudung von Energien. In einer Zeit, in der der Westen immer sanfter und höflicher wird, brauchen wir vielleicht die Israelis, die uns daran erinnern, dass die Welt nun mal nicht ist, wie wir sie gern hätten.“ Da diese Erinnerung jedoch vermutlich keine Folgen zeitigen wird, bleibt fürs Erste nur das Diktum von Dan Schueftan, dem geschäftsführenden Direktor des Forschungszentrums für nationale Sicherheit an der Universität Haifa und langjährigen Berater verschiedener israelischer Regierungen: „Wann immer man Zweifel hat, was richtig ist, sollte man die Europäer fragen. Und dann das Gegenteil tun.“
Zusammenfassend gesagt: Obwohls nicht der Mossad war, wäre es toll, wenn er es wäre, denn Israel beweist Härte, anders als die verweichlichten Europäer. Was wollen die auch reden statt schießen. Und dass Israel sich nicht verteidigt, drückt seine moralische Überlegenheit aus; eine Diktatur, die zu Menschenrechtsverletzungen neigt, wäre also ein ideales System, denn es wäre über jede Legitimation erhaben und darüber hinaus um einiges effizienter als die EU.
Ein Glück nur, dass genug Israelis das anders sehen.