Nachdem ich diesen Artikel in der taz gelesen hatte, musste ich erstmal grübeln. Hatte ich 2009 wirklich nichts gutes mehr gehört an Rap? Ist der HipHop wirklich so tot, wie der Artikel es behauptet? Naja, kommen wir erstmal zu den Thesen, die in dem Artikel aufgestellt werden.
HipHop ist tot – mal wieder. Alle Jahre wieder wird das Ende der größten Jugendkultur der Welt verkündet. Doch 2009 könnte sich der Abgesang bewahrheitet haben, den jüngst die Popkritiker Sasha Frere-Jones und Simon Reynolds in ihren Blogs angestimmt haben.
HipHop, so ihr Tenor, stagniere. Nach über 20 Jahren der Dominanz in den Charts und auf der Straße habe die Musik als Ausdruck des Zeitgeists ausgedient. Dabei brachten fast alle Rapstars dieses Jahr neue Alben heraus: Eminem, Jay-Z, 50 Cent – mehr vom selben.
[…]
Mos Def gönnte allen wahren Fans – darunter erstaunlich viele Feuilletonisten – einen Anlass für rechtschaffene Raprezeption. Geht doch noch: HipHop als Sprachrohr der Unterdrückten. Nur interessiert das die Nachfahren der Sklaven so überhaupt nicht, wie die Klingeltoncharts belegen. Hier hatten die 18-jährigen New Boyz die Nase vorn. Das Duo aus Kalifornien hat den regionalen Tanztrend “Jerking” losgetreten – in nur wenigen Wochen aufgesogen, standardisiert und ausgespuckt von der Industrie.
[…]
20 Jahre später erlahmen nun auch die großen HipHop-Erzählungen. Was wollen Rapper auch noch werden, wenn ihnen die Finanzkrise die letzte Legitimationsgrundlage geraubt hat? Wenn ein Afroamerikaner Präsident geworden ist? Gangster jedenfalls nicht mehr – auch in Deutschland nicht: Aggro Berlin hat dichtgemacht. Was bleibt, sind Methoden und Haltung von HipHop. Die haben die gesamte Popkultur durchdrungen. Bloß rappen muss dazu keiner mehr.
Erst wird also gesagt, kein bekannter Rapper habe ein vernünftiges Album herausgebracht. Als Beispiele werden dabei Eminem, Jay-Z, 50 Cent und (implizit) Kanye West genannt. Moment mal, möchte man sagen – Jay-Zs “The Blueprint 3” erhielt durchweg gute und wohlwollende Kritiken, nur Begeisterung war nicht dabei. Immerhin – solide Musik, wie bisher auch. Nur das Genre in revolutionärer Weise erneuert hat er nicht. Das hat Eminem getan – kurz vor der Jahrtausendwende. Danach war er zwar erfolgreich, musikalisch aber – ähnlich wie Jay-Z momentan – allenfalls “solide”. Wieso sollte es auch anders sein? Jährlich kann kein Künstler eine Szene erneuern. Aber weiter gehts – 50 Cent habe auch geschwächelt. Ja, moment mal – dessen große, geniale Zeit war auch etwa um die Jahrtausendwende. Der einzige, von dem vllt revolutionäres, geniales zu erwarten gewesen wäre, ist Kanye West – und der hat, man lese und staune, als einziger dieser vier kein Album veröffentlicht im Jahre 2009.
Mos Def hat nicht nur ein Album produziert, sondern auch noch ein wirklich, wirklich gutes. Das zählt nur nicht, da er in den Klingeltoncharts nicht oben liegt – gehts jetzt eigentlich um künstlerische Erneuerung des Genres oder um die Auswirkungen der Musik auf die Gesellschaft? Tun wir erst einmal so, als ginge es um erstere. Dann aber zählt Mos Def durchaus – und es gibt noch weitere Beispiele für Musiker, die dem Rap durchaus eine Zukunft bieten.
Fangen wir in Deutschland an – da haben wir schon seit einiger Zeit einen echten Geheimtipp. Blumio nennt sich der schräge Rapper, und bekannt wurde er, ähnlich wie 50 Cent, durch einen Track, in dem er verschiedene Rapper imitiert. “Meine Lieblingsrapper” entstand 2005 und sorgte dafür, dass Blumio schlagartig bekannt wurde – trotzdem erschien sein erstes Album erst dieses Jahr. Der “Japse des Bösen” bringt auf seinem “Yellow Album” diverse Songs, die einen gewissen Sinn für Humor vorraussetzen.
In den USA gab es nun – außer Mos Defs Album – noch einen Grund zur Freude: Zack de la Rocha und Jon Theodore gründeten vor kurzem die Band “One Day as a Lion”. Diese Band besteht aus einem Rapper, der mit seinem Keyboard umgehen kann, und einem Drummer. Beatboxen, Samplen und Rappen also. Ganz normale Rap-Truppe also, mit sowohl technisch als auch lyrisch genialen Raps. Und hey, was ist mit der Schweiz? Die hat Rapper wie “Stress”, die technisch gut sind, gute Texte haben und, man glaubt es kaum, auch 2009 wirklich gute Alben hervorgebracht haben.
Und Auswirkungen auf die Gesellschaft wie die Musikszene hat HipHop soviel wie noch nie zuvor – sowohl Jay-Z als auch Kanye West sind als Produzenten gefragt, Samples nach dem Vorbild zahlloser Rap-Künstler sind essentieller Teil der Popkultur (trotz gesetzlicher Auflagen) und es gehört mittlerweile zum guten Ton, in einem musikalischen Mix ein wenig Rap reinzutun. Besonders bekannt war da der NuMetal – aber auch im Metalcore bringen etwa Ramallah mittlerweile Rapeinlagen, im Crossover waren Raptechniken sowieso beliebt, und die reine Lyrik wird in Veranstaltungen wie dem “Poetry Slam” gefeiert. Gewisse Parallelen zwischen Poetry Slam und Rapbattles sind durchaus vorhanden. In der Zwischzeit feiern ADF in Großbritannien die Verschmelzung von Rap und Dub.
Und zu guter letzt gib es da noch die Internationalisierung des HipHop. Amerika als Zentrum des HipHop, amerikanischer Rassismus als Ursprung sämtlicher Kritik in Rap-Texten – das ist schon längst passé, nicht nur Afrika, sondern auch Europa und Asien hat der HipHop erobert. Thematik rücken sprachliche Probleme, Lebensgefühl sowie die Unterdrückung verschiedenster Menschengruppen nach. Die Rolle des modernen HipHop haben Freundeskreis vor knapp 10 Jahren am besten zusammengefasst:
Also man erkläre mir meinen HipHop nicht für tot!
One thought on “HipHop ist tot/Es lebe der Rap”