30000 Soldaten nach Afghanistan

Wie bereits angekündigt äußere ich mich jetzt mal zur geplanten Erhöhung der Sodatenzahl in Afghanistan um 30.000. Nachdem er bereits kurz nach der Wahl 33.000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan schickte, ist er jetzt für die Mehrheit der in Afghanistan stationierten Soldaten verantwortlich.

Neben der Erhöhung sollen lokale Widerstandgruppen, die den Taliban feindlich gegenüber stehen, gefördert werden – ein Vorhaben, mit dem ich mich bereits beschäftigt hatte. Obamas Plan, die Anzahl der Soldaten zu erhöhen, hatte aber vor allem folgende Ziele:

1) McCrystal hatte 40.000 Soldaten angefordert – eine Zahl, die Obama unmöglich unverändert übernehmen konnte, ohne sich in zerstörerische innere Konflikte einzulassen. Auch jetzt schon bröckelt der Zusammenhalt bei den Demokraten, Kritik an Obama wird immer lauter. Innenpolitisch von Bedeutung war auch die Ankündigung, die Soldaten ab 2011 wieder abzuziehen – denn nun steht ein Termin im Raum, nun kann man auf diesen Verweisen und Erfolge an der Zeit messen.

2) Einen Doktrinwechsel haben wir mit Obamas Amtsantritt erleben dürfen, langsam wirkt sich dieser auch aus. Anstatt mit wenigen Soldaten “reinzurennen”, alle Feinde zu töten und schließend Verbündete aufzubauen, will man jetzt lieber die Zivilbevölkerung schützen und strategisch wichtige Punkte kontrollieren, wobei man sich weniger als früher auf Pakistan verlässt – etwas, das aber eben auch mehr Soldaten erfordert.

3) Der Abzugstermin hat darüber hinaus einen Vorteil in der Kommunikation – USA-kritische Afghanen dürften damit beruhigt werden. Gleichzeitig setzt das auch die Handelnden verstärkt unter Druck, müssen sie doch bis 2011 Erfolge vorweisen können, sonst würden die Taliban gewinnen – das könnte ein Schachzug Obamas sein, verschiedene amerikanischer wie afghanische Verantwortliche dazu zu bringen, sich stärker zu engagieren. Dabei bleibt der Termin bewusst vage, d.h. Obama könnte den Termin immer noch verzögern oder durch Augenwischerei einen sehr langsamen Abzug beginnen (etwa, 5.000 Soldaten jährlich abziehen).

Hierzu braucht Obama aber auch internationale Unterstützung, denn gerade für ihn ist das Bild einer “multipolar world” wichtig. Das bedeutet nicht nur, dass alle Staaten mehr Entscheidungen in der Weltpolitik treffen können, es heißt auch, dass die USA mehr Verantwortung von ihnen erwarten. Bei einem Nato-Treffen wurden denn auch dem Spiegel zufolge 7.000 zusätzliche europäische Soldaten zugesagt, die sich wie folgt verteilen:

* Italien: 1000 Soldaten
* Georgien 1000 Soldaten
* Polen 600 Soldaten
* Großbritannien 500 Soldaten
* Südkorea 500 Soldaten

Interessant ist da vor allem, welche Länder dies sind – Italien und Polen möchten sich als starke Partner der USA und “global players” darstellen, gerade Berlusconi könnte versucht sein, außenpolitische Erfolge zu benutzen um von innenpolitischen Problemen abzulenken. Georgien hat spätestens seit den jüngsten “Grenzkonflikten” mit Russland in Südossetien versucht, sich noch stärker an die USA anzubinden. Südkorea hat ähnliches schon immer versucht, vor allem da die Angst vor Nordkorea omnipräsent ist in der Südkoreanischen Außenpolitik. Bleibt noch Großbritannien – die Entscheidung des bereits angeschlagenen Gordon Brown dürfte wohl die mutigste sein, er hat jede Stimme nötig die er eventuell bei linken Briten verlieren könnte. Und die restlichen Soldaten, es war ja von 7000 die Rede?

Beim Rest handelt es sich nur scheinbar um neue Zusagen. Einige Länder hatten ihre Kontingente für die Präsidentschaftswahl aufgestockt, diese bleiben nun einfach in Afghanistan. Andere Zahlen seien reine Absichtserklärungen, sagen kritische Nato-Diplomaten.

Gerade Deutschland und Frankreich stünden nun in der Kritik – an dieser Stelle muss man aber erwähnen, dass Deutschland bisher seine Verpflichtung, Polizisten auszubilden, sträflich vernachlässigt hat. Daran ändern auch Guido Westerwelles Versprechen nichts.

Die Bundesregierung will vielmehr die internationale Afghanistan-Konferenz Ende Januar abwarten. Intern stellt sie sich auf die Aufstockung des deutschen Kontingents von 4500 Soldaten um bis zu 2000 zusätzliche Soldaten ein. Für Frankreich teilte Außenminister Bernard Kouchner mit, seine Regierung sehe derzeit keinen Grund, die Truppen erneut aufzustocken.

[…]

Das ist unser gemeinsamer Kampf”, so Clinton, “wir müssen ihn jetzt gemeinsam beenden.” Übersetzt aus dem Diplomaten-Jargon sollte das heißen: Wer sich weigert, mehr Truppen zu schicken, ist für ein mögliches Scheitern verantwortlich.

Im Ton bemühen sich die USA, nicht so schrill nach mehr Soldaten aus Europa zu rufen, wie das noch unter George W. Bush passierte.

[…]

Dann verhandeln die Nato-Militärs über Ausbilderteams für afghanische Soldaten. Der Bedarf ist groß: Nach Angaben eines Sprechers der Schutztruppe Isaf gibt es von 103 Teams, die im kommenden Jahr benötigt werden, bisher nur 62.

Wenn Europa bei den Erhöhungen nicht mitzieht, wird sich der Eindruck von einer amerikanischen Besatzungsmacht weiter erhärten – und sämtliche Bemühungen sinnlos machen. Noch wichtiger sind allerdings Europas wirtschaftlicher und politischer Einfluss – ohne eine politische und wirtschaftliche Lösung kann Afghanistan nicht geholfen werden, das Militär war nur dazu da, einem Zeit zu verschaffen. Diese Zeit wurde nicht gelöst, und durch die zunehmende Zahl von Milizen in Afghanistan und Pakistan, die gegen die Taliban kämpfen, bewirkt man möglicherweise zukünftige Konflikte.

Einen altbekannten Konflikt soll Obama ja jetzt angegangen sein – er soll vorhaben, Gelder mehr an regionale Institutionen zu geben als an Karzai. Das war einer der Fehler Bushs – ein allein herrschender Präsident ist nicht die demokratischste Lösung in einem Vielvölkerstaat, das zeigt das (Gegen-)Beispiel Indien. Ein solcher “Herrscher” hätte nur einen Vorteil, der nichts mit demokratischer Legitimität zu tun hat – er hätte Macht. Das sollte Karzai aber nie, und das ist auch gut so, denn das hätte das Land entweder in einen neuen blutigen Bürgerkrieg zwischen Karzai-Anhängern und Warlords geführt, oder man hätte einen Diktator gehabt. So ist es aber noch schlimmer – man hat einen Diktator, mit der Macht, Wahlen zu fälschen, das System zu delegitimieren und undemokratische Gesetze durchzudrücken, aber ohne die Macht, wirkungsvoll gegen die Taliban vorzugehen oder eine Nahrungsmittelversorgung sicherzustellen oder sogar eine Wirtschaft aufzubauen (was durch das Verbot von Handelszöllen durch die Amerikaner wirkungsvoll verhindert wurde). Auch hier also darf Obama die Suppe auslöffeln, die ihm Bush eingebrockt hat. Und die dieser nur kochen konnte, weil Europa lieber mit sich selbst beschäftigt war als Verantwortung zu übernehmen und sich bei so etwas in nennenswerterweise einzumischen (deutsche Alternativvorschläge gab es, aber hey, wie soll man Linken in D erklären, dass man mehr Soldaten nach Afghanistan schickt, um die Amerikaner zu einem gesetz zu überreden, das Afghanen möglicherweise vor Hungersnöten bewahrt hätte?).

 

Flattr this!

Juhu! Jemand, der nicht bei facebook kommentiert! Oldschool!