Ates, das Kopftuch und die Grünen

Seyran Ates kann einem mittlerweile schon ein Begriff sein. Bekannt geworden ist sie nicht zuletzt als Vorzeigemigrantin und vehemente Kritikerin von allem, was sie als Anbiederung an den Islam versteht. Ein Interview von ihr im Standard fand ich interessant genug, um es mal hier zu thematisieren.

derStandard.at: Sie werfen den Grünen also vor, Religionsfreiheit über die Menschenrechte zu stellen?

Seyran Ates: Ja, sobald es um den Islam geht, sind die Menschenrechte nicht mehr so wichtig. Man muss sich nur diverse Talkshows ansehen, wo Frau Roth (Claudia Roth ist Vorsitzende der Grünen, Anm.) schon von ihrer Körpersprache her allergisch auf Vertreter der katholischen Kirche reagiert. Wenn sie hingegen neben einer kopftuchtragenden Frau sitzt, hat sie größte Sympathie und Toleranz dafür. Die patriarchalen Strukturen im Islam, die gerade durch das Kopftuch symbolisiert werden, würden viele Grüne in einer Diskussion nie akzeptieren, wenn es um Deutsche oder um Christen geht.

Die Unterdrückte (die kopftuchtragende Frau) soll also laut Frau Ates nicht mit “Sympathie und Toleranz” behandelt werden. Aha. Käpmfen wir also, um bei Frau Ates Weltbild zu bleiben, gegen die Unterdrückten, die Unterdrücker watschen wir im vorbeigehen mit ab, gell? Und dann natürlich die intellektuelle Überlegenheit, die sie beweist – natürlich kämpft man nicht gegen das Patriarchat, sondern gegen eines seiner Symbole, damit können wir also symbolisch bestimmte Strukturen aufbrechen. Perfekt – nur wir wäre es durch etwas, sagen wir, weniger symbolische und konkretere Vorhaben?

Oder, um ihre Formulierung zu verwenden – wenn sobald es um kopftuchtragende, muslimische Frauen geht, sind Menschenrechte nicht mehr so wichtig, auf dem Altar der symbolischen Freiheit wird die echte Entscheidungsfreiheit geopfert.

derStandard.at: In einem offenen Brief an Sie argumentieren zwanzig Grüne damit, muslimische Frauen sollten frei entscheiden dürfen, ob sie das Kopftuch tragen wollen oder nicht.

Seyran Ates: Das finde ich sehr weltfremd. Wer sich mit dem Thema wirklich ernsthaft und ehrlich beschäftigt, muss sich die Frage stellen, ob es in der islamischen Welt, etwa in den Moscheen, tatsächlich die Möglichkeit gibt, den freien Willen zu äußern. Kann man seine Kinder wirklich so frei erziehen? Das Kopftuch verhüllt den Körper der Frau, damit Männer sie nicht belästigen. Ist das der freie Wille? Die Grünen führen an dieser Stelle nicht die offene und ehrliche Diskussion.

derStandard.at: Wie könnte diese Debatte in Ihren Augen denn aussehen?

Seyran Ates: Vor allem wird den jungen Menschen nicht erklärt, warum dieses Kopftuch ursprünglich gedacht war, nämlich um die sexuellen Reize der Frau zu bedecken. Auch heute wird noch damit argumentiert, dass das Tuch die Frau davor schützt, als Sexualobjekt betrachtet zu werden. Mein freier Wille braucht den Raum, dass ich, ohne mein Haar zu bedecken, nicht als Sexualobjekt betrachtet werde.

Da kennt sich jemand aber aus – die Kleiderordnung für Männer vergisst sie einfach mal eben, so wie die meisten orthodoxen Muslime auch. Männer könnten ja auch sexuell belästigt werden, passt also wieder. Hat bestimmt nichts mit freiwilliger Selbstverhüllung zu tun. Darf ich das als positiven Sexismus verstehen, wenn sich ihre Logik schon der von Patriarchen annähert? Und der freie Wille wird soeben auch negiert – wenn sie es wollen, dann wissen sie es nicht besser und müssen auf den rechten Pfad gebracht werden, und ansonsten wollen natürlich alle Frauen kein Kopftuch tragen und es ist immer eine Geste der Unterdrückung, wenn eine Frau es mal tut.

derStandard.at: In Ihrem Text in der Welt schreiben Sie, dass Sie in keiner anderen Partei so viele Frauen gesehen haben, die Kopftuch tragen, wie bei den Grünen. In dem offenen Brief hingegen heißt es, nur zwei aktive Grüne trügen Kopftuch. Was stimmt jetzt?

Seyran Ates: Ich beziehe mich auf viele Veranstaltungen, zu denen ich in den vergangenen vier oder fünf Jahren eingeladen wurde. Bei jenen der Grünen waren die meisten Kopftuchträgerinnen. Ich habe darüber keine Statistiken, aber man muss sich bloß einmal zu einer Veranstaltung begeben, wo es um die Kopftuchfrage geht. Diese Veranstaltungen enden immer so, dass die Frauen dann von Vertretern der Grünen verteidigt werden.

derStandard.at: Könnte Multikulturalismus, so wie ihn die Grünen propagieren, nicht auch ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einer inter- oder gar transkulturellen Gesellschaft sein?

Seyran Ates: Ich wünschte, die Grünen hätten das längst überwunden. Der Multikulturalismus setzt harte, unüberwindbare Grenzen zwischen den Kulturen. In keiner anderen Partei ist es in meinen Augen so extrem, dass der Mensch mit Migrationshintergrund einen positiven Rassismus erlebt. Bei den Grünen wird dieser Migrationshintergrund nach wie vor hofiert und gefeiert, anstatt diese Grenzen endlich zu überwinden und zu begreifen, dass wir transkulturelle Identitäten besitzen. Ich zum Beispiel bin deutsch und türkisch. Verdammt, ich will nicht ständig als Mensch mit Migrationshintergrund bezeichnet werden!

Dem stelle ich einfach mal das hier entgegen:

Seit 1996 hat der Hesse bei den Grünen seine politische Heimat gefunden. Was ihm bis heute eindrücklich in Erinnerung ist: “Bei meinem Eintrittsgespräch wurde ich alles mögliche gefragt, aber nicht, woher ich komme.”

Herkunft wird, soweit es meine Erfahrungen diesbezüglich angeht, nicht thematisiert und ist nie irgendwie ein Thema, es sei denn, man fängt selbst damit an.

Naja, ich beschwer mich aber nicht – die Frau ist normalerweise klüger als die meisten. Und sie hat sich (noch?) nicht von Rechtspopulisten vor den Karren spannen lassen wie etwa Hirsi Ali. Man sollte übrigens auf jeden Fall noch einmal den gut formulierten offenen Brief der Grünen an sie lesen.

Ach ja, bevor ichs noch vergesse: Ich lehne das Kopftuch ab. Aber ich wills auch niemandem verbieten.

 

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One thought on “Ates, das Kopftuch und die Grünen”

Juhu! Jemand, der nicht bei facebook kommentiert! Oldschool!