SPDler, die gegen HarzIV und die Agenda 2010 protestierten, traten aus der SPD aus und schlossen sich zunächst der WASG sowie später der Linken an. SPDler, denen ihre Partei zu wenig für Frauenrechte tat, traten den Grünen bei. SPDler, denen ihre Partei zu wenig für Migranten tat, traten mehrheitlich einfach nur aus, später traten sie teilweise den Grünen bei (die allerdings auch ihre Krise auf dem gebiet hatten).
Nun tritt einer der ersten SPDler aus, weil ihm seine Partei zu wenig für den Datenschutz tut, und er tritt ausgerechnet in eine Partei ein, die man wenig kennt und über die viele nicht zuletzt aufgrund ihres Namens nur lachen können; der Politiker heißt Jörg Tauss, und seine neue Partei ist die Piratenpartei. Anlass dafür war das aktuelle Gesetz gegen Kinderpornographie, dass es den Behörden ermöglichen soll, Seiten, die kinderpornographische Inhalte anbieten, einfach zu sperren. Dieses Gesetz wird aber kritisiert, da es weder Kinderpornographie an sich und damit das Leid der Kinder bekämpfen (sondern lediglich die unsittliche Komponente des anschauens von Kinderpornographie), noch den Verzicht auf weitergehende Sperrungen garantieren kann. Als Alternativen wurden u.A. Maßnahmen zur stärkeren Bekämpfung der Produktion von Kinderpornographie, Druck zur freiwilligen Selbstkontrolle der Server oder gar Strafrechtliche, internationale Verfolgung selbiger sowie der Verantwortlichen vorgeschlagen; da dies aber keine konkreten Ergebnisse verspricht, wollte man doch nicht auf die Sperrung verzichten. Schließlich sind wir mitten im Wahlkampf, und wer wählt schon jemanden, der Kinderpornographie unterstützt? Da braucht man ja gar keine Argumente, es reicht schon, in den Verdacht zu geraten, Kinderpornographie zu unterstützen, um Stimmen an die CDU zu verlieren, die sich von Anfang an dagegen ausgesprochen hat…
Tauss allerdings ist auch kein unbekannter Politiker, und es stellt sich die Frage, ob sein Bundestagsmandat ausreicht, um sein negatives Image soweit aufzuwiegen, dass sein Eintritt der Piratenpartei mehr nutzt als schadet; seine Vergangenheit hat die taz wie folgt zusammengefasst.
Nach dem Austritt forderten sozialdemokratische Politiker, Tauss solle ganz aus dem Parlament verschwinden. “Wir müssen diesen Schritt zur Kenntnis nehmen und fordern ihn auf, sein Bundestagsmandat zurückzugeben”, sagte unter anderem die baden- württembergische SPD-Chefin Ute Vogt der Deutschen Presse Agentur. Bis zum Frühjahr 2009 war Tauss Generalsekretär der SPD in Baden-Württemberg und saß seit 1994 für die Partei im Bundestag.
Am 5. März hob der Bundestag die Immunität von Tauss auf, weil gegen ihn wegen des Besitzes von Kinderpornografie ermittelt wird. Der 55jährige Abgeordnete gibt dies auch zu. Er sagt, er habe selbst in dem Millieu ermitteln wollen, um zu belegen, dass solche Pornografie hauptsächlich nicht über das Internet sondern über persönliche Kontakte gehandelt wird. Mit dem Bundeskriminalamt habe er nicht zusammenarbeiten wollen, weil es sich in solchen Fragen nicht neutral verhalte, sondern parteiisch sei.
Das BKA hatte sich in der Vergangenheit wiederholt für verschärfte Sicherheitsgesetze eingesetzt. Tauss hatte genau die entgegengesetzte Linie vertreten und war damit für Teile der digitalen Bürgerrechtsbewegung zu einem Idol geworden.
Die Piratenpartei hat damit einen Sitz, und das ist genau soviel, wie ich ihr wünsche; sie kann zwar wenig in der Politik ausrichten, wird allerdings diesen einen Platz dazu nutzen, um die Regierung regelmäßig zu kritisieren und viele Abgeordnete an ihr Gewissen zu erinnern. Und wer weiß, vielleicht sehen wir sie bald in einer Koalition mit eine Ampel oder rot-rot-grün? Oder sie verschafft irgendwem die eine, einzelne Stimme, die noch zur Mehrheit fehlt? In der heutigen Zeit gar nicht mal so unwahrscheinlich.
Am Wahrscheinlichsten ist aber, dass sie diese Sitz nach den Wahlen wieder verliert.
Ich bin mir noch unsicher, ob man die Piratenpartei wirklich ernst nehmen kann. Mir als netzaffinem Menschen läuft sie zwar im Moment mehrmals täglich über den Weg, aber tatsächlich steht sie im moment (noch) auf einer Ebene mit den vielen anderen Kleinstparteien, die im politischen Tagesgeschehen keinerlei Rolle spielen.
Geht mir ähnlich, wie bereits gesagt, mehr als einen Sitz wünsch ich ihr auch nicht. Aber wenn sie dauerhaft bei wenigen Sitzen bleiben sollte hat man wenigstens Leute, die radikal für Netzfreiheit auftreten und die Politiker ein wenig mit “ihrer” und in diesem Fall eben auch “meiner” Realität konfrontieren ;)
Geht mir ähnlich, wie bereits gesagt, mehr als einen Sitz wünsch ich ihr auch nicht.
Wieso eigentlich nicht? Eine zweite SPD mit Internetkompetenz wäre ja eigentlich nicht schlecht. Vor allem, wenn es die alte Tante SPD bald nicht mehr gibt. :-)
Ich ich hab schon genug SPDs und Möchtergern-SPDs, außerdem scheinen sie mir eher wenig Kompetenzen bei jedem Bereich außer dem Bereich Neue Medien zu haben…
Ich hab dazu bisher jedenfalls kaum Konzepte gefunden (hab aber auch nicht wirklich gesucht).
Naja und die jetztige SPD wird bald eh nicht mehr geben, entweder sie ändert sich oder sie verliert ihren Status als “Volkspartei”.