Wenn Katzen Menschen werden

Na, hier endlich mal ein Artikel zu einem interessanten Buch. “Wenn Katzen Menschen werden” von Spojamai Zarjab ist ein Erzählband, der aus 7 Kurzgeschichten besteht, nämlich “Mein Hahn”, “Wenn Katzen Menschen werden”, “Rostam und Sohrab”, “Das Lied von der Unabhängigkeit”, “Generalmobilmachung”, “Von Zahlen bezwungen” sowie “Der Goldring”.

Jeder Titel hat sehr viel mit der Kurzgeschichte zu tun, der Zusammenhang wird aber teilweise erst am Ende der Geschichte deutlich. Der Schreibstil ist eher einfach, teilweise sogar leicht infantil, dabei aber nie langweilig oder anspruchslos. Der Anspruch liegt vor allem im Inhalt, und da kann es teilweise wirklich schwierig werden, den Text zu verstehen – während wohl jeder den Schreibstil genießen kann, wird nicht jeder in der Lage sein, die eigentliche Intention oder gar sämtliche Motive zu verstehen. Dies erfordert Ahnung von Afghanistan, und vor allem vom Afghanistan Frau Zarjabs, sowie genug Empathie, um sich in sie hineinzuversetzen – kurz gesagt, alles, was man für eine normale Interpretation eines anspruchsvollen Textes braucht. Dabei ist nichts explizit für ein “westliches Publikum” gemacht – will heißen, es gibt eine klischeehaften Szenen, die aus einem Abenteuerroman stammen könnten, keine freien Paschtunenkrieger, denen der Wind um die Ohren pfeift während sie kämpfen, keine klagenden Frauen, die unterdrückt werden, keine Malalai, sondern jede Menge Frauen, meist Mütter, die, mal frei, mal unterdückt, alles mit einer Selbstverständlichkeit hinnehmen, die bezeichnend ist und die höchstens zu Mitleid und nicht zu einer Revolution auffordert. Kritik wird deutlich, in vielen Motiven, sie bleibt aber unpolitisch und diffus, es geht um die generelle Situation von Frauen, gerade von armen Frauen, und um keine konkreten politischen Forderungen.

Die zweiten Hauptpersonen neben den (immer weiblichen) Erzählerinnen sind Kinder, Kinder, die Opfer sind, die Gewalt erleben, die entweder benachteiligt werden, weil sie Mädchen sind, oder bevorzugt werden, ohne dass sie es wollten, weil sie Jungen sind, aber auch Kinder, die Täter werden, weil sie unwissend sind oder weil sie von ihrer Umwelt beeinflusst werden.

Ein weiteres wichtiges Thema, dass sich aber wohl fast nur Kennern Afghanistans wirklich erschließen wird, sind die “großen Ideen” und die Kritik daran, hauptsächlich Religion und Nationalismus, aber ich würde auch das Gefühl des Lebens in der Diaspora und das Anklingen von Liebe mit da hineinnehmen. Die Kritik ist immer da, aber sie bleibt oft so undeutlich, dass es dem Leser überlassen ist, sich zu entscheiden, ob an dieser Stelle Kritik angebracht ist.

Alles in allem schafft Spojmai Zariab es, große Literatur zu liefern; starke Bilder, viel Interpretationsspielraum und ein Stück weit Nostalgie für Exilafghanen (jedenfalls ist das mein Eindruck, das kann ich auch nur begrenzt beurteilen) – das schafft einen Mix, der ihren Schreibstil wirklich einmalig werden lässt. Und der mich noch eine Weile zum Nachdenken anregen wird.

 

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