Na und da wäre der zweite Artikel über die Nato. Wie uns sämtliche Medien nämlich berichteten, hat die Türkei ein Problem mit dem möglichen Nachfolger Jaap de Hoop Scheffers, Anders Fogh Rasmussen, und zwar wegen den Mohammedkarikaturen. Naja, nicht nur, wie die SZ berichtete:
Am rechtsliberalen Rasmussen haben die Türken aber ziemlich viel auszusetzen. Sie nehmen ihm übel, dass er 2003 geschworen hatte, die Türkei werde niemals EU-Mitglied werden. Dann verweisen sie auf die Krise um die Mohammed-Karikaturen, die 2006 in der dänischen Zeitung Jyllands-Posten erschienen waren. Rasmussen hatte sich – wie andere europäische Politiker – hinter die Zeitung gestellt. AKP-Außenpolitiker Suat Kiniklioglu sagt, Rasmussen habe sich damals “unverantwortlich” verhalten. Er frage sich, wie er als Nato-Chef in Afghanistan glaubwürdig auftreten könne “mit seiner Geschichte der Demütigung der ganzen muslimischen Welt?”
Ein weiterer Stachel ist für die Türkei die Weigerung Dänemarks, den Sender Roj-TV zu verbieten, der von Dänemark aus per Satellit die Propaganda der Kurdischen Arbeiterpartei PKK verbreitet. Als der türkische Premier Tayyip Erdogan 2005 Dänemark besuchte, kam es bei der Pressekonferenz mit Rasmussen zum Eklat: Erdogan sah eine Roj-TV-Reporterin und verließ den Saal. Ob die gegenseitige Abneigung tatsächlich zum türkischen Veto führen wird, bezweifeln dennoch viele. Wenn die anderen auf Rasmussen bestünden, werde man “wohl oder übel Ja sagen”, zitierte die englische Ausgabe der Hürriyet einen Beamten des Außenministeriums.
Warum aber widerspricht Erdogan Staatspräsident Abdullah Gül, der Rasmussen zuvor gelobt hatte?
Immerhin war Gül einmal in derselben Partei wie Erdogan und es scheint weniger klug, ein so unterschiedliches Bild nach außen hin abzugeben, egal wie ein eindeutiges Bild auch ausgesehen hätte.
Doch Gül musste für Rasmussen sein, um das Einlenken Ankaras zu rechtfertigen, das zu erwarten ist, während Erdogan doch Kritik an ihm üben musste, zum einen, weil er es einfach selbst will, zum anderen aber auch um der Türkei eine gewisse Autorität als einziges islamisches land in der Nato zu verleihen. Zum einen will man nicht die guten Beziehungen zu den Nato-Ländern aufs Spiel setzen, zum anderen ist man allerdings als Vermittler in Nahen und Mittleren Osten (und in dieser Rolle sieht sich die Türkei oft und gerne) auf eine gewisse Legitimität als islamisches Land angewiesen.
Abseits dieser “Symbolpolitik” sollte nicht der pragmatische Aspekt vergessen werden – man will ja schließlich einen ganz bestimmten Sender loswerden. Das scheint übrigens in greifbare Nähe gerückt zu sein.
Und zu guter letzt war es bestimmt auch ein kleiner Seitenhieb gegen Rasmussen persönlich und alle eher rechten Politiker Europas, die sich vehement gegen einen EU-Beitritt der Türkei ausgesprochen haben – seht her, auch die Türkei hat ihre Klauen. Dabei blieb das doch wohl eher subtil und wird am ehesten dafür verwendet werden, im Wahlkampf in der Türkei das Gesicht auch angesichts unerfüllter Versprechen, gerade was den EU-Beitritt angeht, Stimmen zu sammeln. Das Ergebnis der Kommunalwahlen spricht zwar eher dafür, dass dieses Kalkül nicht aufging, aber die landesweiten Wahlen kommen noch, und für diese hat Erdogan schon einmal Munition gesammelt.
One thought on “Nato-Doppel(äh…)pack (2)”