Der Mindestlohn wird jetzt kommen. Gut, es gibt unglaublich viele gute Kritikpunkte am Mindestlohn: Tarifautonomie, Inflation, Arbeitsplatzrisiken, über die auch ausführlich geredet wird. Dabei vergessen die Leute aber gerne, dass der Mindestlohn Praktika wesentlich verändern könnte.
“Generation Praktikum” ist zu einem Schlagwort geworden, und die Kritik geht üblicherweise in etwa so: Immer mehr, immer schlechter bezahlte Praktika werden dazu benutzt, Stellen einzusparen. Junge, gut ausgebildete Menschen kriegen nur noch Praktika und keine Jobs, denn Praktika kosten weniger.
Jetzt plant die Regierung einen allgemeinen Mindestlohn von 8.50, und der wird wohl kommen – nur an den Details wird gearbeitet. Die SPD will möglichst wenige Ausnahmen, die CDU möglichst viele, aber federführend dürfte Nahles sein, und die will weniger Ausnahmen. Der Kompromiss sieht ungefähr so aus (übrigens, wunderschöne Scheibchen-Taktik der Presseabteilungen!): für Minderjährige ohne Ausbildung sowie für Pflichtpraktika im Studium gilt kein Mindestlohn.
Das heißt: Gut ausgebildete Studenten können nicht länger mit Praktika ausgebeutet werden (außer in ihrem Pflichtpraktikum). Das wichtigste ist aber, dass Praktika nach dem Studium vernünftig bezahlt werden. Bisher konnte man sich nämlich etwa im Studium Praktika über das Bafög finanzieren: In den Semesterferien erhält man weiterhin Geld, dann kann man auch schlecht oder gar nicht bezahlte Praktika absolvieren. Man muss halt nur Zeit dafür haben, und die hat nicht jeder.
Nach dem Studium hat man dann aber ein Problem: Man kann theoretisch ein Vollzeit-Praktikum anfangen, denn die Zeit ist da, von dem Geld kann man aber nicht leben. Hotel Mama ist dann oft die einzige Lösung, allgemein erscheinen Praktika kaum sinnvoll.
Das Problem würde der Gesetzesentwurf lösen – indem eben Praktika nach dem Studium bei einer 40-Stunden-Woche mit knapp 1400 Euro für den Lebensunterhalt reichen. Auch als Berufseinstieg taugen sie dann eher; man muss nicht weiter mit einem Zweitjob das Praktikum finanzieren, sondern kann sich auf das Praktikum konzentrieren und ggfs übernommen werden – das Praktikum als erweiterte Probephase gibt es in einigen Unternehmen durchaus.
Problematisch wird allerdings, dass die Anzahl der Praktika deutlich abnehmen könnte. Wenn ich Praktikanten vernünftig bezahlen muss, dann stelle ich halt weniger ein. Und die schlecht bezahlten Praktika gehen nicht länger an gut ausgebildete Fachkräfte, sondern eher an Minderjährige, die in ein Unternehmen reinschnuppern wollen. Solche Schnupperpraktika könnten vermehrt angeboten werden, die Nachfrage dürfte aber eher gering bleiben – zu Schulzeiten sind Praktika auch zeitlich schwer organisierbar.
Das alles könnte den Praktikumsmarkt spürbar verändern – wenn da nicht die Ausnahme für Pflichtpraktika wäre. Die Ausnahme ist insofern sinnvoll, als sie nicht dringend fürs Studium benötigte Praktikumsplätze gefährdet. Gleichzeitig aber unterläuft die Ausnahme die genannten Effekte – im Zweifel werden dann Praktika während des Studiums als Pflichtpraktika deklariert, das zu überprüfen dürfte schwierig sein.
Effektiv heißt das: Der Student erbringt gegenüber dem Praktikumsgeber irgendeinen Nachweis, dass er ein Pflichtpraktikum absolviert, sonst gibt es keinen Praktikumsplatz. Und Praktika im Studium werden ganz schnell prinzipiell unter dem Mindestlohn bezahlt, egal ob Pflicht oder freiwillig.
insgesamt dürften also nur Praktika nach dem Studium von der Regelung betroffen sein. Diese werden aber erst mit einem Mindestlohn wirklich sinnvoll, darunter dürften sie auch jetzt selten angenommen werden. Die Rolle von Praktika als erweiterte Probezeit könnte damit also langfristig gestärkt werden.
Edit: Schreibt mir doch mal eure verwerflichsten Praktikumsangebote und Geschichten zum Thema Praktika. Hier als Kommentar oder auch bei Twitter #Gnrtn_Praktika, bin mal gespannt wie viel zusammen kommt.
Mindestlohn fùr freiwillige praktika = abschaffung dieser= chancentod
Oder halt nur weniger Praktika. Oder eben weniger Druck, Praktika gemacht zu haben.