Deutsche Nachbarn. Reisen durch Polen, Belgien, die Niederlande, Frankreich, Luxemburg und Dänemark #1: mitteleuropäisches Bier
In den letzten Jahren ist ein Projekt von mir das Studium der Nachbarn Deutschlands geworden. Das ist ein reflexartiges Handeln gewesen.
Viele Leute erzählen von ihren Urlauben in Ägypten oder Peru oder Thailand und wissen Dinge über die Cheopspyramiden, Lamas und Thai-Massagen. Von Mubarak, der Pacha Mama oder den letzten Wahlen in Thailand haben sie wenig gehört. Kein Tourist ist verpflichtet, als aufgeklärter Bildungsfahrender fremde Länder von vorne bis hinten zu analysieren. Es macht kaum einer.
Spanisch wollte ich deshalb schon gar nicht lernen. Ich finde meine Seele nicht besser, wenn ich ihren spanischen Ausdruck vor mich her sage. Sangria kann ich auf Mallorca wahrscheinlich ohne Spanischkenntnisse bestellen, sollte ich je mal auf diese Insel kommen. In Lateinamerika möchte ich keinen verpassten Revolutionen hinterherlaufen, die meisten schnupfen täglich billiges Koks und bezahlen dafür, dass sie nicht ganz hops genommen werden. Nachdem ich bei einem Austausch nach Litauen über die Fremdartigkeit dieses Landes erstaunt und in New York und Montreal über den europäischen Charakter dieser Metropolen verwundert war, erwachte ganz zögerlich ein Interesse für Länder außerhalb des routinierten Diskurses. Für Länder in der Nachbarschaft, zu denen viele Deutsche aus verwandtschaftlichen oder wegen der geografischen Nähe Beziehungen pflegen. Also lernte ich die Sprachen fast aller Nachbarländer und hielt mich dort auch öfter auf.
Es ist verdammt erstaunlich, welche essentiellen Unterschiede es gibt und wie viele Spezifitäten. Ich möchte nicht darüber reden, dass die Niederländer Käse haben und die Polen Wodka. Ich möchte nicht über die gängigen Vorurteile reden. Darüber wird sehr viel geschrieben. Ich fange mit Kulinaria an, aber mit Bier. Die Deutschen reden ja sehr viel über ihr Bier und loben manchmal die Tschechen, aber sagen sich insgeheim, dass ihrs doch das beste ist.
Wussten Sie, dass die Normandie verschiedene Biersorten bietet? Ich bin kein Connaisseur für Bierspezialitäten, aber war dennoch erstaunt. Ich mochte die Sorten, habe sie woanders bisher nicht entdeckt. Eines hieß Normaens, glaube ich. Bekannter ist schon, dass Apfelwein in der Gegend sehr beliebt ist. Dort sind Bierkneipen belgischer Prägung recht etabliert.
Bierliebhaber, die nicht nur regional trinken, haben schon von der Vielfalt der belgischen Sorten gehört. Das hat mich richtig erstaunt. Wer kennt die Begriffe Lambic, Gueze, Kriek, Double, Triple? Wenn Sie davon noch nicht gehört haben, fahren Sie in dieses Land oder versuchen in Ihrer Nähe ein paar andere Biere als Leffe, Orvals, Jupiler und Grimbergen zu probieren. Gemessen an der Größe des Landes besitzt Belgien eine erschreckende Anzahl von Sorten, die sogar sehr unterschiedlich schmecken. Gueze (gesprochen „Göhs“) und Lambic sind meine Lieblingsarten belgischen Bieres, es reift wie Wein in der Flasche. Meine Favoriten sind „Mort subite“ aus Asse, „Delirium tremens“ und das würzige und facettenreiche „La chouffe“ aus den Ardennen. In Brüssel treffen sie regelmäßig Kellner, die jeden Mensch in ihrem Laden kennen und schon lange zapfen, aber noch nie von dem Bier gehört haben, dass sie bestellt haben. Der Kellner bittet Sie aber dann, doch Ihre Meinung nach dem Probieren beim Personal abzugeben. Besonders gefährlich sind die Prozente. Anfänglich war ich verwundert, dass ich nichts zu vertragen scheine, weil ich nach einer Flasche schon einen im Tee hatte, gemessen an der Größe. Die Biere wie das Triple haben bis zu 13% Prozent Alkohol, da reicht eine Flasche um angetrunken und zwei um betrunken zu sein. Trinken Sie erst mal nur ein Bier und schauen sie, bevor Sie übermütig werden. Die normalen Flaschen sind recht klein, 0,75 Literflaschen oder größere Versionen sind für Feiern durchaus üblich und zeigen den Weincharakter dieser Gärungen.
Der Höhepunkt der kleinen Bierreise, Sie ahnen es, findet sich jenseits der deutschen Ostgrenze. Tschechien ist tatsächlich für seinen Bierkonsum und seine ersteklassigen Sorten bekannt, aber Polen hat verdammt viele Biersorten, was mir vorher nicht klar war. Spätestens seit der Fußball-EM 2013 in Polen und der Ukraine sind Lech, Zywiec und Tyskie bei uns von deren Werbekampagnen und Sponsoring bekannt. Keiner hat jedoch von den in Polen bekannten „Książęce“ und „Strong“ gehört und das sind noch häufig getrunkene Biere. Ähnlich wie in Kölner 24-Stunden-Büdchen findet man im polnischen Kiosk immer wieder eine andere Zusammensetzung bekannter und unbekannter Sorten, mindestens in den größeren Städten. Neben den bisher genannten sind die bekanntesten Sorten nicht wirklich empfehlenswert, vor allem sollten Sie die Finger von Tatra und Zubr lassen. Das Tatra-Weihnachtsbier, dass man laut Flaschenettikett erwärmt trinken soll, hat die Geschmacksnoten einer leichten Rindsboullion mit Karamell. Die kleinen Sorten sind oft umwerfend. Im Gegensatz zu der belgischen Auswahl, bei der die Sorten meist malzig, süß oder sauer sind, bieten die Polen auch Spezies in der herben Richtung an.
Klar, Wodka trinkt man dort auch und die Beweislage scheint tatsächlich Polen als Urland des Wodka auszumachen und nicht Russland. Vom Wodka habe ich keinen blassen Schimmer und das Zeremoniell des Rundenkippens konnte ich meistens bisher vermeiden. Vielleicht dazu später irgendwann mehr.