Schwarz-Gelb verteilt Wahlgeschenke

Ja, klar, Kuhhandel, innerparteiliches Geschachere, schlechte Entscheidungen – so kann man das auch nennen. Aber letztlich geht es beim Betreuungsgeld und den anderen jüngsten Beschlüssen nur darum, Wahlen zu gewinnen – und dazu gibt man halt etwas Geld raus.

Niemand mag die Praxisgebühr. Niemand, sollte man meinen – außer der FDP, der Partei der Marktliberalität, der ausgeglichenen Haushalte, der Ärztevertreter. Die Idee dahinter war, die Kassen zu entlasten und Leute davon abzubringen, dauernd zum Arzt zu gehen. Hat nicht geklappt, und wurde zur verhasstesten Gebühr überhaupt. Trotzdem sollte man meinen, dass die FDP die Ziele ganz nett findet. Stattdessen setzt sie die Absetzung der Praxisgebühr durch.

Jetzt soll sie – Wunder oh Wunder – sogar zum 1. Januar 2013 abgeschafft werden. Etwa wegen des schönen Datums? Als Neujahrsgeschenk? Weils mathematisch irgendwie sinnmacht oder Buchhalter glücklich macht? Nicht wirklich.

Am 20. Jänner findet nämlich die Landtagswahl in Niedersachsen statt – und wer ist momentan Umfragen zufolge in einer schwierigen Lage? Genau: Der Landesverband von FDP-Chef Philipp Rösler. Umfragen sehen die FDP in Niedersachen bei ca 3 Prozent, was eine derbe Schlappe für eine Regierungspartei wäre und den amtierenden Parteichef enorm schwächen würde. Denn wer nicht einmal mit dem eigenen Landesverband Erfolg haben kann, der ist im innerparteilichen Machtkampf schlecht aufgestellt – vor allem, wenn schon lange Kritik an ihm geübt wird.

Wenn also die FDP eine Maßnahme, die perfekt in ihre Ideologie passt, aber sehr unbeliebt ist, kurz vor einer sehr wichtigen Landtagswahl abschaffen will, dann hat das, nunja, ein Geschmäckle. Und klingt eben so gar nicht nach der bürgerlich/alternativlos/pragmatischen Politik, die sich Schwarz-Gelb gerne selbst zuschreiben würde.

Wer jetzt glaubt noch bunter kann mans nicht treiben – wartets ab. Das Betreuungsgeld, auch bekannt als Herdprämie, kommt auch, immerhin wollte die CSU ja was haben für den Praxisgebührerlass. Forscher, Soziologen, Ökonomen, Verbände gehen auf die Barrikaden – zu teuer, sinnlos, kontraproduktiv sind einige der nettesten Bezeichnungen für diese Sozialleistung für Wohlverdienende, eingeführt von Wirtschaftsliberalen (!) in einer Wirtschaftskrise (!).

Ähnlich wie beim Kindergeld hilft das den Ärmsten der Armen nicht – Harz IV Empfänger können schauen wo sie bleiben. Anders als beim Kindergeld wird damit ein Anreiz gesetzt, staatliche Einrichtungen zu vermeiden – mit katastrophalen Folgen für Kinder aus schlechten Verhältnissen. Im besten Fall eine überflüssige, im schlimmsten Fall eine schädigende Leistung, so der Tenor von Experten, und ähnliche Leistungen in anderen Ländern wurden nach einigen Jahren wieder eingestellt wegen genau diesen Problemen.

Warum also sollte man sowas einführen?

Die Antwort ist einfach: Im September 2013 finden Bundestagswahlen und Landtagswahlen in Bayern statt, einem Flächenstaat mit vielen ländlichen Familien die Kitas weniger nutzen werden und häufiger Anspruch auf die Herdprämie hätten. Und wann wird die Leistung eingeführt? Pünktlich am August 2013. Natürlich nur, um den Haushalt zu entlasten, gelle? Hat ja nix mit Seehofers Wahlkampf sowohl im Bund als auch in Bayern zu tun.

Besonders schön an dem ganzen: Angeblich war Schäuble nichtmal anwesend bei den Verhandlungen. Es geht ja immerhin nicht um Haushaltsfragen, oder darum, wie sinnvoll diese Maßnahmen sind – letztlich will man sich einfach nur die Wiederwahl sichern und auf eine ziemlich dreiste Art Wählerstimmen kaufen.

Wenn man sich das anschaut, dann wird einem Merkels CDU mit ihrem Bonus für Renten richtig sympathisch – die geben sich immerhin Mühe, Wahlgeschenke als sinnvolle Reformen zu tarnen, während FDP und CSU pünktlich zu Wahlen Geldleistungen verabschieden.

 

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