Irakische Taktik in Afghanistan

Lange Zeit war das Bild ziemlich einfach – im Irak fand das blutige Morden statt, in Afghanistan ging es friedlich zu und alles klappte perfekt. Darüber hinaus mussten amerikanische Präsidenten sich vor allem für das Engagement im Irak rechtfertigen. Dann aber kam die “surge”-Taktik, man rüstete die irakische Armee auf und förderte lokale Milizen, die es letztlich ermöglichten, einen Abzugstermin festzulegen – und voila, auf einmal war der Irak vergessen, und mit der sich ausweitenden Gewalt in Afghanistan und dem Wahldesaster nahm auch in den USA die Kritik am Afghanistaneinsatz zu, es wurde immer öfter über eine “exit”-Strategie gesprochen.

Wie die NYT nun berichtet, wird eine ähnliche Taktik in Afghanistan angestrebt wie im Irak: Man will lokale Milizen fördern, um die sich im Aufbau befindende afghanische Armee und Polizei zu entlasten.

American and Afghan officials have begun helping a number of anti-Taliban militias that have independently taken up arms against insurgents in several parts of Afghanistan, prompting hopes of a large-scale tribal rebellion against the Taliban.

The emergence of the militias, which took some leaders in Kabul by surprise, has so encouraged the American and Afghan officials that they are planning to spur the growth of similar armed groups across the Taliban heartland in the southern and eastern parts of the country.

Dabei geht es nicht nur um die militärische Eingrenzung der Taliban, sondern auch um die Einbindung der Bevölkerung und dadurch ebenso um eine größere Akzeptanz des Einsatzes wie um eine Erleichtung eines möglichen Abzugs:

“The idea is to get people to take responsibility for their own security,” said a senior American military official in Kabul, who spoke on the condition of anonymity. “In many places they are already doing that.”

Bekanntermaßen läuft bei den Amerikanern nun einiges schief, wenn es darum geht, lokale Milizen im eigenen Interesse einzusetzen; ähnliche Pläne hatte man schließlich auch mit den Taliban. Um dies zu verhindern, plant man zum einen eine stärkere Kontroller der Milizen und zum anderen einer Vermeidung von Waffenverkäufen. Die Milizen sollen also klein gehalten werden, stets mit der Regierung kooperieren (deren Macht man dadurch erhöhen würde und deren – freilich dann nicht demokratische – Legitimität zunehmen würde) und mit Aufgaben beauftragt werden, die sie leicht, gut und bereitwillig erfüllen könnten:

The growth of the anti-Taliban militias runs the risk that they could turn on one another, or against the Afghan and American governments.

The Americans say they will keep the groups small and will limit the scope of their activities to protecting villages and manning checkpoints.

For now, they are not arming the groups because they already have guns.

The Americans also say they will tie them directly to the Afghan government.

Dazu boten die Special Forces bestehenden Milizen Hilfe an, die bisher in Form von Munition und Nahrung gewährt wurde. Der Plan sieht vor, dass die Milizen mit den regulären Truppen kooperieren und deshalb Hilfe anfordern können. Damit würde übrigens vor allem der amerikanische Geheimdienst entlastet werden, dessen Arbeit momentan unter anderem dadurch belastet wird, dass man sich lange Zeit auf das ISI verlassen hat, dessen Loyalitäten unklar sind. Weitergehende Unterstützung wird noch geplant.

“We are trying to reach out to these groups that have organized themselves,” Col. Christopher Kolenda said in Kabul.

[…] American and Afghan officials say they are also planning to train the fighters and provide communication equipment.

Dabei wird noch ein Beispiel dafür genannt, wie man es nicht machen sollte, nämlich so, wie es damals mit Dostums Milizen (jedenfalls vermute ich dass es um ihm nahestehende Milizen geht) gemacht hat:

So far, there appears to be some divergence in the American and Afghan efforts. While American Special Forces units have focused on helping smaller militias, Afghan officials have been channeling assistance to larger armed groups, including those around the northern city of Kunduz. In that city, several armed groups, led by ethnic Uzbek commanders as well as Pashtuns, are confronting the Taliban.

“In Kunduz, after they defeated the Taliban in their villages, they became the power and they took money and taxes from the people,” Mr. Atmar, the interior minister, said. “This is not legal, and this is warlordism.”

Ingesamt bietet dieser Ansatz zwar interessante neue Möglichkeiten, aber auch viele Risiken. Was, wenn man die Milizen wirklich ausrüsten wird und diese sich nicht so leicht kontrollieren lassen, wie momentan vermutet wird? Man wird früher oder später wieder ein Entwaffnungsprogramm durchführen müssen, dass allerdings nur funktionieren kann, wenn den Milizen ausreichend Geld geboten wird – das wiederrum kann nur bei einer besser funktionierenden Wirtschaft funktionieren, und dazu muss endlich der Aufbau forciert werden. Ohne den Kampf gegen die Drogen und vernünftige Schutzzölle wird Afghanistan sich nie stabiliseren – da hilft auch die pakistanische Offensive wenig, ist diese doch vor allem auf Pakistan feindlich gesonnene Gruppen ausgerichtet und nicht grundsätzlich auf eine Schließung der Grenze, einer Zerstörung der pakistanischen Drogenlabore oder gar eine Stabilisierung Afghanistans (als “höheres Ziel”). Interessant wird auch Obamas Entscheidung bzgl der Truppenaufstockung sein, die wir wohl frühestens diese Woche erwarten können. Welche der 4 Optionen er wählen wird, wird viele wichtige Auswirkungen auf Afghanistan haben, sowohl in militärischer als auch in politischer und sogar in wirtschaftlicher Hinsicht. Doch dazu mehr, wenn wir mehr wissen.

 

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2 thoughts on “Irakische Taktik in Afghanistan”

Juhu! Jemand, der nicht bei facebook kommentiert! Oldschool!