CDU und Deutschtürken

Dass die CDU lange Zeit Probleme hatte, Deutschland als Einwanderungsland zu begreifen, ist wohl nichts neues, ebensowenig wie die Tatsache, dass gerade linke Parteien in Deutschland sich um Migranten bemüht haben, während sogar eine an sich liberale und damit Immigrationsfreundliche Partei wie die FDP vereinzelt Rassisten in ihren Reihen duldete (auch wenn man hier noch auf die nicht weniger rassistischen Wahlkampfparolen von Linken und SPD hinweisen muss). So verwundert es auch nicht, dass 10 von 11 Bundestagsabgeordneten (insgesamt gibt es 612 Abgeordnete) mit Migrationshintergrund für linke Parteien dort sitzen; lediglich Michaela Noll, Tochter eines iranischen Katholiken, gehört der CDU an. Dies dürfte durch verschiedene Faktoren begünstigt worden sein; zum einen wäre da der Name der CDU, der Muslime abschrecken könnte, aber noch schwerwiegender war wohl die Tatsache, dass gerade CDU/CSU und FDP als ausländerfeindlich wahrgenommen wurden (und noch immer werden). Daran hat auch ein Schäuble mit seiner Islamkonferenz wenig ändern können, und Projekte wie der Einbürgerungstest, Forderungen nach verstärken Auflagen für eine Einwanderung sowie das Ausschlachten ausländerfeindlicher Ressentissements gerade in Wahlkampfzeiten haben die Antipathien nicht gerade abgeschwächt.

Die Präferenzen sehen laut dem Politikwissenschaftler Andres Wüst in etwa so aus:

Als Kandidaten und als Abgeordnete zeigen Migranten bislang eine klare Präferenz für politisch linksgerichtete Parteien. “Während der Anteil der Abgeordneten mit Migrationshintergrund bei den Grünen am höchsten ist, sind es bei der SPD in absoluten Zahlen mehr”, so seine Feststellung. Auch als Wähler bevorzugt ein Großteil der Deutschen mit ausländischem Hintergrund das linke Parteienspektrum. Die Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichten Umfrage sind deutlich: 55,5 Prozent der Deutsch-Türken würden die SPD wählen. Die Grünen kommen auf 23,3 Prozent.

Demgegenüber steht eine große Anzahl von türkischstämmigen Migranten, die eher konservativ sind – die aber lieber links wählen, weil man ja niemanden wählt, der gegen einen selbst Wahlkampf macht. Darüberhinaus macht es die CDU selbst Migranten nicht wirklich einfach, zu kandidieren, falls sie denn doch ihre Politik für unterstützenswert halten sollten:

Zweimal hat Bülent Arslan es versucht. Der Christdemokrat wollte als Kandidat für den Bundestag antreten. Mithilfe des heutigen NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers versuchte er, für die Bundestagswahl 2002 einen Wahlkreis in Hagen für sich zu gewinnen. Als er sich dem Kreisverband vorstellte, war man skeptisch: Ein türkischstämmiger Muslim soll geeignet sein, die CDU zu vertreten?

Die Hagener Christdemokraten legten dem Kreisvorsitzenden nahe, einen anderen Kandidaten zu präsentieren. Arslan zog seine Kandidatur zurück. 2005 versuchte er es ein zweites Mal – und unterlag in Leverkusen bei einer Abstimmung. “Zweimal reicht”, sagt der 34-jährige Unternehmensberater, der das Deutsch-Türkische Forum in der CDU gegründet hat.

Dieses Mal versucht es der Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete David Erkalp. Auch er ist in der Türkei geboren, seine Familie aber gehört einer christlichen Minderheit an. Erkalp kämpft um ein Direktmandat in Hamburg-Mitte, das traditionell an die SPD fällt. Über die Landesliste ist er nicht abgesichert. Auch dem neuen Bundestag wird wohl kein türkischstämmiger Christdemokrat angehören.

[…]

Die Türkische Gemeinde Deutschland hat in diesem Jahr keine Wahlempfehlung abgegeben. Bei der letzten Bundestagswahl hat sie noch SPD, Grüne und Linke unterstützt. TGD-Chef Kenan Kolat, selbst Sozialdemokrat, glaubt, dass viele Deutschtürken von der SPD enttäuscht sind, weil sie die strengeren Gesetzesregelungen der Union etwa zum Familiennachzug mitgetragen hat. Die TGD ruft dazu auf, mit der Erststimme türkischstämmige Kandidaten zu unterstützen. Einige erwähnt Kolat dabei persönlich. Der Christdemokrat Erkalp ist nicht dabei.

Dieses Problem kritisieren auch CDU-Politiker. Pofalla etwa hat zugegeben, dass es noch Nachholbedarf auf dem Gebiet geben, und türkischstämmige CDU-Politiker wollen schon seit Jahren etwas in der eigenen Partei diesbezüglich ändern.

Für Aygül Özkan, seit Juni 2008 stellvertretende Landesvorsitzende der Hamburger CDU, steht fest, dass sich viele Migranten zu lange nicht in der Politik vor Ort engagiert haben. “Auf der anderen Seite muss die Mehrheitsgesellschaft dieses Engagement auch zulassen”, sieht die Tochter türkischer Gastarbeiter auch ihre eigene Partei in der Pflicht. “Obama verkörpert einen Wandel”, so die Konservative, “diesen Wandel wünschen sich auch viele Migranten hierzulande.”

Die Frage, die sich nun noch stellt, ist, wieso außer den staatlich finanzierten Medien nur noch die linke taz (und vor einiger Zeit der Spiegel) diesem Thema vor der Bundestagswahl einen Artikel widmen (jedenfalls habe ich keine anderen finden können). Nicht nur die CDU und die FDP scheinen es für weniger wichtig zu halten – auch die breite Medienlandschaft scheint den Durchschnittsbürger nicht mit solchen Geschichten langweilen zu wollen, die allerdings wichtig, und, man möchte fast sagen, symptomatisch, sind für unsere Gesellschaft. Richtig: Schlimmer als die Abwesenheit von Bundestagsabgeordneten mit Migrationshintergrund finde ich es, dass dieses Thema niemanden außerhalb einer kleinen, wohl zu idealistischen Gruppe, zu interessieren scheint.

 

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6 thoughts on “CDU und Deutschtürken”

  1. Die CDU begreift “die Muslime” generell immer noch als Feindbild, auch die Haltung zum EU-Beitritt der Türkei spiegelt das wieder, weil sie zeigt, dass sie es mehr auf Spaltung denn auf Einigung abgesehen hat, die Medien spielen das Spiel mit, immerhin bringen Schlagzeilen wie “Türken schlagen Rentner zusammen” massiv Auflage, die BILD machte zuletzt gegen Schröder Stimmung, wie ich das dieses Jahr von den REPs gesehen habe: “Türken wählen SPD”
    So macht man natürlich Stimmung – und der bornierte Ausländerfeind denkt nichtmal darüber nach, das Türken in Deutschland gar nicht wählen dürfen.
    http://trotzkist.wordpress.com/2009/09/20/pro-deutschland/

     
  2. Ich würde eher von Teilen der CDU sprechen; auch in der CDU ist es langsam angekommen, dass wir eine Einwanderunsgesellschaft sind, und gerade die christlicheren Teile der CDU sprechen sich stark für mehr Toleranz aus. Die Haltungs zum Türkeibeitritt scheint für mich momentan neben der Angstmache das einzige ausländerfeindliche (und darum geht es, nebenbei bemerkt, wenn von “den Türken” die Rede ist, nicht um den Islam – diese Form des Populismus ist eher woanders anzutreffen) zu sein – und beides lässt man momentan erstaunlicherweise eher ruhen, hat doch Koch gezeigt, wie es nicht geht. Momentan öffnet sich die CDU langsam auch für Muslime und Immigranten – hoffen wir, dass sie das noch schafft bevor wieder ein Hardliner das sagen hat.

     
  3. Natürlich kann man von Teilen sprechen, da diese aber offenbar noch die Mehrheit ausmachen, ist diese Differenzierung in diesem Falle nicht unbedingt nötig (auch wenn natürlich sinnvoll^^)
    Dass die CDU die Ausländerkarte derzeit nur so verhalten spielt (Rüttger ist ja nicht der einzige), liegt damit zusammen, dass die CDU überhaupt keine Karte spielt, sondern die Leute ja nicht an die Wahlurnen treiben will…
    Das Problem ist, dass gerade diese Angstmache so essenziell ist, weil sie auf fruchtbaren Boden fällt und so die Gesellschaft spaltet.

     
  4. Also ich sehe keine Mehrheit in der CDU, die rassistisch ist, aber das kann man natürlich kaum be- oder widerlegen.

    Ansonsten stimmt es natürlich dass die CDU momentan eher profillos ist. Allerdings sehe ich wie gesagt bei beiden Volksparteien Populisten die die “Ausländerkarte” gerne spielen – und von Lafontaine sind auch einige krasse Aussagen überliefert. Ich muss sagen ich hab immer meine Schwierigkeiten damit, die CDU als Ausländerhasser darzustellen und Linke (namentlich vor allem Lafontaine) und SPD als ausländerfreundlich wahrzunehmen. Wenns in die Agenda passt, oder wenn man sich Stimmen von verspricht, dass wird auch gerne der eigenen Idee widersprochen. Naja, ich nehm die CDU nicht oft in Schutz, aber gerade Schäubles AIK fand ich sehr gut und ich kenne kommunal einige CDUler, die sich viel Mühe geben, das Umdenken da zu bewirken – natürlich weniger Leute als im linken Lager, klar, aber man muss auch “zahme” Konservative fördern und pflegen. Es gibt m.M.n. CDUler links von der SPD.

    Im übrigen hab ich sogar noch einen Artikel im Spiegel gefunden, wer hätts gedacht:

    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,636504,00.html

     
  5. Die Duldung der hetzerischen Parolen eines Roland Koch durch eine “schweigende Mehrheit” ist für mich Anlass genug zu dieser Aussage – ich kann mich nicht daran erinnern, dass sich irgendwer in der Partei hiervon ehrlich distanziert hätte…nichtmal die Ausländerbeauftragte.

    Klar gibts ebensolche Aussagen von Lafontaine oder anderen, aber der Aufschrei in der eigenen Partei dazu ist meines Erachtens nach ehrlicher, diese statische Aufteilung in ausländerfreundlichn und -feindlich ist aber natürlich nicht haltbar.
    Man sehe sich aber mal die Politik einer Bundesausländerbeauftragten Maria Böhmer (CDU) an, Zitat:

    “Das ist symptomatisch dafür, wie Böhmer ihr Amt versteht. Während sich ihre Vorgängerinnen als – mitunter durchaus kritische – Fürsprecherinnen der Migranten gegenüber der Bundesregierung begriffen, macht Böhmer es genau andersherum: Statt der Regierung zu erklären, was die Migranten wollen, erklärt sie den Migranten, was die Regierung will. Priorität hat dabei die CDU-Parteilinie. Damit hat Böhmer ihrem Amt seine ursprüngliche Bedeutung genommen.”
    http://www.taz.de/1/debatte/kommentar/artikel/1/ruhe-fuer-die-auslaenderfront/

     
  6. Eine interessante Fragestellung: Wie soll die CDU Muslime integrieren? Aus meiner Sicht, eine Verzerrung der Perspektive, aber als eine Diskussionsanregung bestimmt gut.

     

Juhu! Jemand, der nicht bei facebook kommentiert! Oldschool!