Weiter gehts mit dem JW-Bashing.
Weder die Frauenfeindlichkeit noch der gepflegte Antisemitismus dieser Verbände sind Hinderungsgründe für die Teilnahme an der Konferenz. Selbst als die Münchner Staatsanwaltschaft unter anderem gegen den an der Konferenz beteiligten Generalsekretär von Milli Görüs, Oguz Ücüncü, ein Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche und finanzieller Unterstützung palästinensischer Terroristen einleitete, zog Schäuble keine Konsequenzen.
Mit der Frauenfeindlichkeit ist wohl bereits erwähnter Text gemeint, den ich bereits widerlegt/entschärft habe. Was ist nun der “gepflegte Antisemitismus”? So etwas wie gesellschaftlich anerkannter Antisemitismus, oder bei den Verbänden üblicher Antisemitismus? Nicht nur die Antwort auf diese Frage, sondern auch die auf die Frage, wo denn dieser Antisemitismus aufzufinden sei, bleibt uns Herr Blees schuldig. Wie bereits erwähnt befürworten einige aus diesen Verbänden explizit einen jüdisch-islamischen Dialog – was ist daran antisemitisch? Natürlich darf das Problem des islamischen Antisemitismusses nicht heruntergespielt werden, aber man darf das auch nicht pauschalisierend auf alle Muslime oder auch nur alle Verbände ausdehnen.
Kommen wir zu Herrn Üçüncü.
Ich fomuliere das ganze mal wieder um – weil der Generalsekretär einer Organisation, die eine Mehrheit in einem Verband stellt, der zur DIK gehört, verdächtigt wird, Terroristen unterstützt zu haben, soll ein Politiker das Ergebnis der Ermittlungen nicht abwarten, sondern direkt “Maßnahmen” ergreifen. Weitere Worte sind wohl überflüssig.
Eine beim jüngsten Treffen eingebrachte Resolution zur Solidarität mit der Protestbewegung im Iran wurde zwar von der relativ liberalen Alevitischen Gemeinde und den mehr oder weniger säkularen Konferenzteilnehmern muslimischer Herkunft unterstützt. Doch von den vier konservativen Verbänden hat sie nur der VIKZ unterzeichnet.
Geht es um Innen- oder Außenpolitik? Ist auch überliefert, mit welcher Begründung diese Resolution nicht unterzeichnet wurde? Aber vor allem: der VIKZ hat sie unterzeichnet, d.h. bleibt nur noch ein radikaler Verband (siehe letzter Blogpost). Jedenfalls solange man an etwas so banalem die Radikalität eines Verbandes ablesen möchte.
Die bisherigen Ergebnisse der DIK wertet der Innenminister als Erfolg. Gemessen an seinen Vorgaben und Erwartungen sind sie das auch. Aus emanzipatorischer, aufgeklärter Perspektive bedeuten sie einen Rückschlag. Der Einführung des islamischen Religionsunterrichts an staatlichen Schulen hat die DIK weitgehend den Weg geebnet und damit allen Säkularisierungsbestrebungen entgegengewirkt. Das aktuelle, vom Plenum verabschiedete Zwischenresümee spricht sich ausdrücklich gegen ein Kopftuchverbot für Schülerinnen aus und gesteht Eltern das Recht zu, ihre Töchter dazu zu zwingen, ein Kopftuch zu tragen. Eine Missachtung von Kinderrechten zeigt sich auch im Plädoyer für die Befreiung vom koedukativen Sport- und Schwimmunterricht oder von Klassenfahrten »im Einzelfall«.
Zum Kopftuch habe ich mich bereits geäußert; man merkt aber, wie oft hier ein einzelner Aspekt wiederholt wird, gell? Muslime = Kopftuchdebatte, möchte man meinen…
Das Plädoyer finde ich auch nicht angemessen, aber von einer “Missachtung von Kinderrechten” zu sprechen finde ich doch recht gewagt, gerade wenn man es sich zeitgleich nicht nehmen lässt, jede kopftuchtragende Muslima zu instrumentalisieren, ohne auf ihre persönliche Meinung dazu zu achten. Hat ein Kind ein Recht auf Klassenfahrten sowie Sport- und Schwimmunterricht? Geht es hier wirklich um das Kindeswohl oder um eine Integrationsdebatte? Wenn es um letztere geht, dann ist dagegen ja nichts einzuwenden, nur soll man nicht an Pawlowsche Reflexe apellieren, wenn man rein theoretisch auch argumentativ eine Position stützen kann. Und “Missachtung von Kinderrechten” appelliert nunmal an dieselben Instinkte wie von der Leyens Statements bzgl der Kinderpornographie.
Ach, und vergessen wir nicht den islamischen Religionsunterricht. Wenn ich den Autor richtig verstanden habe, gab es nie radikale Moslems, die gegen einen staatlichen Islamunterricht waren, da man dann den Unterrichtsplan genehmigen lassen müsste und man nicht länger in einem Hinterhof radikale Ansichten propagieren könnte. Und welche Säkularisierungsversuche meint der Autor denn? Habe ich etwas verpasst? Natürlich, in Berlin soll der Religionsunterricht freiwillig werden, aber damit schafft man ihn nicht ab; es spricht ja auch keiner davon, ausgerechnet den islamischen Religionsunterricht als Pflichtfach einzuführen, man will ihn lediglich als Alternative zum christlichen Religionsunterricht für Muslime etablieren.
Die in der AG 1, »Deutsche Gesellschaftsordnung und Wertekonsens«, vertretenen Muslime üben im Resümee zaghaft Kritik an den Strukturen in Teilen muslimischer Communities, die sich »integrationshemmend« auswirkten. Das bewog den Islamrat dazu, sich von deren Stellungnahme zu distanzieren.
Der Islamrat, der auch das problematischste Element der DIK ist, der aber trotzdem ein Garant dafür ist, dass man so gut wie alle Muslime an einen Tisch geholt hat. Weiter gehts.
Der AG 3, »Wirtschaft und Medien als Brücke«, geht es nicht zuletzt darum, das angeblich von den Medien vermittelte negative Image des Islam zu korrigieren. Aus diesem Grund richtete sie bereits im Februar 2008 eine Fachkonferenz über »Das Islambild in Deutschland« aus. Damit offenbart sich ein zentrales Interesse der Islam-Konferenz: die Kritik an islamisch begründeten Unterdrückungsverhältnissen als Verbreitung von Stereotypen zu disqualifizieren und stattdessen eine »verantwortungsvolle, vorurteilsfreie und differenzierte Berichterstattung« einzufordern, wie es im kulturrelativistischen Neusprech heißt. Konsequenterweise wünscht die AG ein »Medientraining« für muslimische Verbandsfunktionäre. Diese sollen lernen, sich und ihre Ideologien geschickter zu verkaufen.
Sehr schön provokant formuliert. Nur hat man als Muslime vielleicht das Gefühl, dass eine neutrale Berichterstattung seltener stattfindet seit 9/11, gerade wenn man mit der AIK konfrontiert wird, oder den neuen “islamkritischen” Bewegungen, oder auch mit diesem hochinteressanten Artikel, der sowieso zur Pflichtlektüre für jeden werden sollte, der sich mit Muslimen und dem Islam beschäftigt. Die JW selbst ist das beste Beispiel für so eine Berichterstattung – da wird aus einem Medientraining für muslimische Verbandsfunktionäre eine Veranstaltung, auf der man lernt, sich und seine Ideologien geschickter zu verkaufen. Ideologie, ist damit etwa der Islam gemeint? Nun kann man vielleicht als Atheist jegliche Religion als Ideologie bezeichnen, aber gerade beim Islam gibt es da viele, die Ideologie eindeutig pejorativ verwenden, und zwar explizit gegen den Islam und nicht gegen jegliche Religion. Eine “verantwortungsvolle, vorurteilsfreie und differenzierte Berichterstattung” sollte da doch eher selbstverständlich sein als ein Grund, sich aufzuregen. Im übrigen wäre es mir neu, dass nur Muslime ein Medientraining absolvieren; organisierte Personen der Öffentlichkeit durchlaufen öfters ein solche Programm.
Neben den drei AG hat die DIK einen Gesprächskreis »Sicherheit und Islamismus« eingerichtet, der vor allem so genannten extremistischen Bestrebungen vorbeugen soll und als verlängerter Arm von Verfassungsschutz und Polizei betrachtet werden kann. Der Islamrat lehnt den Präventionsansatz ab, weil dieser die Muslime »als potenziell gefährlich« einstufe. Im Gegensatz dazu wäre der unter dem Aspekt der »inneren Sicherheit« verengte Islamismus- und Extremismus-Begriff zu kritisieren, weil er die repressiven Strukturen des Alltagsislams weitgehend unberücksichtigt lässt.
Da hat der Islamrat ja gar nicht mal so unrecht, die Unschuldsvermutung ist ein wertvolles Gut, auch wenn ich sie hier nicht für allzu gefährdet halte. Aber moment, was lesen wir da? “Weil er die repressiven Strukturen des Alltagsislams weitgehend unberücksichtigt lässt.” – und schon stecken wir mitten im politically incorrect (wer die Seite kennt, weiß, was ich meine) Weltbild, demzufolge nicht der Terrorismus das Hauptproblem ist, sondern der “Alltagsislam”. Darf man raten? Muslime sind nur dann zu retten, wenn sie keine mehr sind, dankeschön, das hat Ayaan Hirsi Ali schonmal viel schöner formuliert, und bei ihr war es noch eine provokante Zuspitzung ihrer eigentlichen Aussage, hier ist es ein Teil der Aussage selbst.
Nur um ganz kurz in DIE Debatte einzusteigen (eine genaue Ausführung würde mir viel zu lang werden) – was versteht der werte Herr denn unter dem Alltagsislam? Wie wärs, schiitisch, sunnitisch, welche Rechtsschule, Nationalität, welche Koranübersetung liegt alledem zugrunde, etc pp? Was ist der “Alltagsislam”, und was sind dann seine repressiven Strukturen?
Highlight des letzten Plenums war die Vorstellung der von der DIK in Auftrag gegebenen Studie »Muslimisches Leben in Deutschland«. Die verkürzte Präsentation der Ergebnisse passte in das von der DIK verbreitete retuschierte Islambild: Es gibt viel mehr Muslime in Deutschland, und sie sind besser integriert als bisher angenommen. Die Daten der Studie stützen das nicht, wurden doch unter anderem Menschen als Muslime mitgezählt, die sich selbst als »nicht gläubig« einstufen, ganz zu schweigen vom Prinzip der Zwangszugehörigkeit, das aus orthodox-islamischer Sicht ein Verlassen der Religion nicht vorsieht.
Der Unterstützung von Menschen »mit Migrationshintergrund« und der Förderung solidarischen, gleichberechtigten Zusammenlebens dienen solche Veranstaltungen und die dort betriebene Aufwertung reaktionärer Islam-Verbände nicht. Daran ändern auch kritische Stimmen innerhalb der DIK nichts, etwa Säkulare wie Necla Kelek und Seyran Ates.
Zu dieser Studie habe ich bereits etwas geschrieben; ich zitiere mal aus der taz:
Die erste Überraschung: Es gibt weit mehr Muslime als bislang angenommen. In Deutschland leben rund vier Millionen Muslime, das sind fünf Prozent der Gesamtbevölkerung. Bislang schätzte man, dass es etwa drei Millionen sind. Der Grund: Die Studie des Bundesamtes hat mehr Herkunftsländer berücksichtigt und auch die Kinder der eingebürgerten Muslime. Fast zwei Drittel der Muslime stammen aus der Türkei, kleinere Gruppen kommen aus südosteuropäischen Ländern wie Bosnien oder Albanien, dem Nahen Osten und Nordafrika. Fast alle wohnen in den alten Bundesländern einschließlich Berlin, die meisten in Nordrhein-Westfalen.
45 Prozent der Muslime hierzulande haben die deutsche Staatsbürgerschaft, mehr als die Hälfte von ihnen ist in einem “deutschen Verein” organisiert. Dazu zählen Sportvereine ebenso wie Gewerkschaften und Seniorenclubs, nicht aber Organisationen, die sich auf Herkunftsländer beziehen. In einem solchen Verein sind lediglich vier Prozent ausschließlich Mitglied.
Ich denke, es ist klar geworden, dass es mehr Muslime gibt als bisher angenommen und dass diese besser integriert sind als bisher angenommen. Jedenfalls würde ich diese Ergebniss so deuten, wieso diese (und die anderen) Zahlen etwas anderes aussagen sollen, dazu äußert sich die JW nicht. Naja, mal davon abgesehen, dass Leute mitgezählt wurden, die “nicht gläubig” sind – da offenbart sich allerdings offensichtlich eine Leseschwäche, denn wenn man weiterliest, dass schlüsselt zumindest die taz das Ergebnis der Studie auch folgendermaßen auf:
Die Mehrheit der Muslime, auch darüber gibt die Studie Auskunft, ist gläubig. Ein gutes Drittel stuft sich als “sehr stark”, die Hälfte als “eher gläubig” ein. 14 Prozent gaben an, “eher nicht” oder “gar nicht” zu glauben.
Wenn man nun davon ausgeht, dass alle dieser 14% vorbildlich integriert sind und dass die JW sonst keine Fehler gemacht hat, dann kommt man immer noch auf ca. 40% der Muslime, die in einem deutschen Verein sind, während die Anzahl der Muslime, die in einer Organisation sind, die sich auf ihre Herkunftsländer bezieht, auf ca. 5% der Befragten erhöhen könnte, natürlich immer vorrausgesetzt, dass die 14% auch keine Mitglieder in solchen Organisationen sind, was gerade angesichts nationalistisch/patriotischer Türken und Iraner (die meist säkulär sind) eher unwahrscheinlich scheint. Aber gut, dann darf die JW eine andere Studie vorlegen, die ihre Thesen stützt. Selbst wenn wir jetzt diese Schätzungen weglassen – bei 14% kann man wohl die gewagte These aufstellen, dass diese nicht allzu wichtig für das Ergebnis der Studie waren. Allein schon, weil es auch in anderen Religionen Leute gibt, die kaum oder nicht gläubig sind, gleichzeitig aber schlicht zu faul sind, um zu konvertieren. Die Hemmschwelle mag bei Muslimen weiter oben liegen als bei Christen – aber auf das Problem der Apostaten macht man nicht durch an den Haaren herbeigezogene Behauptungen deutlich, denen zufolge ja unzählige Muslime nur darauf warten, von den Fesseln des Islams befreit zu werden. Da soll man doch bitte lieber Gewalt gegen Apostaten angreifen und verurteilen.
Überhaupt wünscht man der JW und ihrer “Islamkritik” mehr Selbstreflektion und die Lektüre bspw dieses Artikels. Und im Zweifelsfall soll man auch eine Hirsi Ali genauer lesen, denn obwohl die Frau allein aufgrund ihres Lebenslaufen kaum objektiv über den Islam sprechen kann und obwohl sie politisch bei Rechtspopulisten aktiv war, ist sie doch objektiver als die JW.
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