Das Gerücht gab es schon lange. “Die Amerikaner”, so hieß es, wollten mit den Taliban, ihren (wie damals noch spöttisch angemerkt wurde) ehemaligen Verbündeten verhandeln, sie einbinden in den Aufbauprozess in Afghanistan. Denn die Taliban, das war ein Häufchen von Guerrilleros, die man aus aller Herren Länder zusammengetrommelt hatte, um gegen “den Russen” zu kämpfen und ihm auch ja sein Vietnam zu verpassen, und keine wirkliche Organisation. Die Strukturen der “afghanischen Taliban”, nun, die seien bei verschiedenen Kriterien zu erahnen, und da es sich vor allem um Paschtunen handelte, wären wohl Stammesstrukturen der Paschtunen das Hauptmerkmal der Strukturen der Taliban. So schlau waren wir während der Ära Bush.
Doch unter Bush gab es niemals eine Annhäherung an die Taliban, zu ideologisch, zu antagonistisch war dieser Konflikt in seinen Augen, und dies spiegelte sich nicht nur in seinen Reden, sondern eben auch in seiner Politik. Verhandeln? Niemals!
Doch nun haben wir einen neuen Präsidenten, jung, enthusiastisch, und vor allem mit einer gewissen positiven Einstellung zu Verhandlungen – Barack Obama. Und wirklich, kurz nach Amtsantritt wurden aus den Gerüchten Statements des Präsidenten, die in diese Richtung deuten. Natürlich erwog er lediglich Gespräche mit den Taliban, Gespräche, die natürlich von den Taliban “offiziell” abgelehnt wurden. Trotz des Widerstands afghanischer Politiker hielt Obama daran fest, dass dieser Krieg nicht zu gewinnen sei und dass daher Verhandlungen allem ein Ende setzen müssten. So fingen also Verhandlungen an, zunächst mal geführt von Karzais Bruder Qayum Karzai.
Obama verfolgte dabei stets eine zweigleisige Strategie: Einseits kündigte er kurz nach seiner Wahl Truppenaufstockungen an, andererseits wollte er aber auch verhandeln. Damit beugte er quasi dem vorwurf vor, seine Verhandlungen entsprächen einer Kapitulation, doch der Aufbau einer afghanischen Armee und Polizei stockt noch immer – zum einen kommen viele Staaten, auch Deutschland, ihren selbst auferlegten Pflichten bzgl der Entsendung von Ausbildern nicht nach, zum anderen fehlt es den Staatskassen am nötigen Geld, um die Rekruten später zu bezahlen, sodass viele korrupt wurden oder sich gleich von Warlords anheuern ließen. An dieser Stelle noch der Hinweis auf einen Qantara-Artikel.
Wenn die Taliban die Waffen niederlegen und die Verfassung akzeptieren, dann spricht nichts gegen eine Einbindung der Taliban und eine Parteigründung. Doch das politische System Afghanistans hat bereits probleme damit, an ihre Standards von vor 100 Jahren anzuknüfen – die Taliban, als eine islamistische Organisation, werden die aktuellen Konflikte zwischen der afghanischen Verfassung und den Menschenrechten weiter verschärfen. Und was ist mit den Taliban, die ihre Waffen nicht niederlegen wollen?
Deren (durchaus wankende) Unterstützung durch das Volk muss man das Wasser abgraben, und der Schlüsseld dazu liegt in der Wirtschaftspolitik. Man braucht
1) Eine Grenze zu Pakistan, um den für die Taliban profitablen Schmuggel zu unterbinden und um ihre Grenzaktivitäten einzuschränken
2) Eine Anti-Drogenpolitik, die auch funktioniert, was mit 1) zusammenhängt nur mit pakistanischer Hilfe bewältigt werden kann, stehen doch alle Drogenlabore (in denen der Rohstoff zur konsumierbaren Droge umgewandelt wird) in Pakistan
3) Eine Wirtschaft, die die Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und Jobs versorgen kann, was heißt, dass man amerikanische Träume von der zollfreien freien Marktwirtschaft in einem sich gerade aufbauenden Land schleunigst begraben muss (es haben bereit neu gebaute afghanische Fabriken schließen müssen, weil der Markt vor allem von chinesischen Billig-Produkten überschwemmt wurde)
sowie
4) Mehr Transparenz der Politiker.
Wenn man in der Lage war, mit Kriegsverbrechern zusammenzuarbeiten, um die Taliban zu vertreiben, dann kann man rein theoretisch auch die Taliban in das System integrieren. Auf keinen Fall darf aber der wirtschaftliche Aspekt vergessen werden, sowenig wie die mühsam erworbene Verfassung verwässert werden darf – und auch die Regionalmächte Pakistan, Indien und Iran dürfen vergessen nicht werden; vieles lässt sich schließlich auf deren Machgleichgewicht zurückführen, was in Afghanistan passiert. Aspekte übrigens, die Obama recht ernst zu nehmen scheint – hat er doch teilweise den diplomatischen Druck auf Pakistan erhöht, eine Truppenaufstockung in die Wege geleitet und jetzt auch noch Gespräche angekündigt. Die Liste ist noch nicht komplett, doch sie füllt sich bereits.
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