Ein komisches Jahr

Ja, es ist noch etwas zu früh, um auf das Jahr zurückzublicken, aber hey, Hipster und so. Also tu ichs mal trotzdem.

Im Blog hat sich einiges getan. Nach dem “relaunch” im Februar bin ich hier mal richtig aktiv geworden, gleichzeitig gab es auch mehr Gastbeiträge und allgemein mehr Aktivität. Gut, diesem Monat ist die Aktivität wieder zurückgegangen, ich habe halt grad weniger Zeit; irgendwann Ende Januar sollte sich das aber wieder ändern.

Anfang des Jahres hat der Politblogger aufgehört. was nur das Ende eines allgemeinen Prozesses markiert: PI, Pro und Freiheit interessieren mich nicht mehr. Und mehrere Jahre nach Sarrazin spielen sie auch kaum noch eine Rolle. Die große Frage am rechten Rand ist heute Europa, damit wird die AfD deutlich interessanter.

Übrigens: Wir schreiben eine Fortsetzungsgeschichte. Ein bisschen wirr, aber das wird noch. Außerdem habe ich ziemlich viel zur Bundestagswahl geschrieben; vielleicht mache ich das in 3,5 Jahren nochmal. Übrigens ist Nichtwählen pfui.

2013 hat sich auch für Studenten in München einiges geändert. Nachdem schon das Semesterticket beschlossen wurde, gibt es jetzt auch keine Studiengebühren mehr – das bedeutet eine deutliche Ersparnis für die meisten (auch, wenn sie in den meisten Fällen durch die Mieterhöhungen wieder aufgefressen wird).

International hat sich dieses Jahr wirklich viel getan. Die Arabellion ist vorbei, langsam sehen wir die Ergebnisse. In Ägypten prügeln sich Muslimbrüder und Aktivisten, während das Militär gewinnt: Erst als Garant für Stabilität an der Seite Mursis, dann als Bollwerk gegen den Islamismus für die Säkulären. Beide vergessen, dass es eigentlich um das Milität geht und nicht um das Land.

In anderen Ländern geht es ganz ähnlich zu. Während Tunesien und Libyen zwischen gewaltsamer Eskalation und neuen Partizipationsformen oszillieren, versinkt Syrien endgültig im Chaos. Währenddessen nimmt die Anzahl der Akteure in der Region zu. Die Kurden werden zu einem wichtigen Faktor in Syrien und im Irak, was auf die türkische Innenpolitik Einfluss hat. Gleichzeitig setzen Konfliktlinien zwischen Islamisten/Militär/Säkulären in anderen Ländern fort: Intermestics vom feinsten.

In der Eurokrise zeichnet sich immer stärker eine deutsche Dominanz ab. Ob Eurobonds oder Bankenregulierung: Was Schäuble sagt, entspricht sehr genau dem, was dann auch umgesetzt wird.

Trotzdem bleibt man vorsichtig gegenüber den USA. Ja, das No Spy Abkommen wird es so nich geben; gut, die USA erklären viele NSA Methoden für wahrscheinlich verfassungswidrig; und natürlich setzt sich Deutschland mit Brasilien für ein Vorgehen der UN in Datenschutzfragen ein. Nur: Bloß nicht den USA gegenüber skandalisieren. Dann lieber in der großen Koalition die Vorratsdatenspeicherung durchsetzen, und anstelle von Peter Schaar eine Datenschutzbeauftragte berufen, die von Datenschutz gar nicht soviel hält. Dann will ich bei der nächsten rot-rot-grünen Regierung aber auch einen Pazifisten als Verteidigungsminister!

Was kommt nächstes Jahr?

Also ich bin sehr gespannt, ob die VDS wieder zu ähnlichen Protesten wie in der Vergangenheit führen wird. Wenn ja, wird das zeigen, dass Netzpolitik/Datenschutz endgültig als Themenkomplex in der Politik angekommen ist. Wenn nicht (was ich vermute, aber ich bin auch Pessimist), dann deutet das darauf hin, dass das “softe” Themen sind, die im Zweifel nur kurzzeitig mobilisieren können, aber nicht gegen “harte” Themen wie Europolitik und Arbeitsplätze bestehen können.

Die große Koalition wird wirklich, wirklich langweilig werden. Werden Opposition und Medien es schaffen, kreative Politikformen entwickeln, die das kompensieren können? Ok, man soll keine Fragen stellen, die sich mit “nein” beantworten lassen, sorry.

Syrien/Iran/Irak/Türkei/Libanon wird der wichtigste Komplex im Nahen Osten sein. Das Abkommen mit dem Iran, die Machtkämpfe in Syrien/Irak/Türkei und, naja, Libanon halt, werden die Machtverhältnisse ordentlich neu mischen. Also sie hätten jedenfalls das Potential dazu.

In der NSA-Affäre wird nicht viel spannendes passieren. International wird vor allem dagegen gerüstet werden, aber eine echte Neuorientierung wird es kaum geben. Das wirklich interessante wird also der Machtkampf in den USA zu der Thematik, wo sich rechte und linke Aktivisten scheinbar zeitweise verbünden. Wichtiger wird die strategische “Neuorientierung” der USA. Wird Deutschland zum “lost cause” und an Relevanz verlieren? Wie wird der Pazifik an Bedeutung zunehmen? Was werden die USA gegen den wachsenden Einfluss Chinas unternehmen? Und was wird aus dem Konflikt mit Russland, das seine Einflusssphäre ausweitet und damit sowohl mit den USA als auch mit der EU konkurriert?

Politik in Deutschland wird langweilig sein. Aber hey, es gibt genug Weltgegenden, wo es jederzeit zu Krieg kommen könnte…

 

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2 thoughts on “Ein komisches Jahr”

  1. In einem Punkt stimme ich dir nicht zu: Die große Frage am rechten Rand ist nicht Europa (sofern du die EU oder allgemeiner die europäische Idee meinst), sondern sie nimmt – so zumindest mein Eindruck – hier und jetzt immer besorgniserregendere Dimensionen an.
    Die SZ berichtete erst heute von einer Bundestags-Anfrage der Linkspartei, demzufolge Rechtsextreme immer häufiger gegen Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland agitieren und im Vergleich zum Vorjahr sogar sechsmal so häufig aufmarschierten. Gleichzeitig hatte unser Ex-Innenminister (in meinen Augen) Volkshetze gegen “Armutseinwanderung aus Serbien und Rumänien” (also Roma) betrieben und mit dieser Propaganda erfolgreich die Personenfreizügigkeit innerhalb des Schengenraums geblockt. Dass Deutschland wirklich ein gravierendes Rassismus-Problem hat, zeigen nicht zuletzt auch die UN Rüge, die rechtliche Aufbereitung der NSU-Mordserie und das neue Gutachten zum Fall Oury Jalloh, der aller Wahrscheinlichkeit nach 2005 von Polizeibeamten angezündet wurde. Und um bei einem angrenzenden Thema zu bleiben: 2013 ist für mich auch das Jahr der Flüchtlinge. Nicht nur dass die Zahlen relativ anstiegen, sie hatten es auch geschafft, sich zu formieren und auf die Straße zu gehen, um für bessere Bedingungen zu kämpfen. Über die Details kann man streiten, aber ich finde die anhaltende Bewegung und Debatten darüber sehr wichtig, für sie und das Land.

     
    1. Immigration halte ich auch für ein prinzipiell wichtiges Thema, allerdings schon (spätestens) seit den 90ern. Und ähnlich lange ist das von den Rechten schon besetzt (ohne nennenswerte Vorteile). Die “Islamkritiker” wären da evtl als Ausnahme zu nennen, aber denen geht es auch schon schneller.

      Europa dagegen: Das ist aktuell, neu, und es mobilisiert Lager, in die die Rechten vorher wenig einwirken konnten.

       

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