Ich diskutiere keine Tierrechte

Da wollte doch letztens ein Freund von mir über Tierrechte, Vegetarismus, Ethik und eigentlich alles weitere diskutieren, was irgendwie da rein passt. Es gibt eine einfache Möglichkeit, das Thema zu beenden: Ich weise auf die Vorannahmen und Fragen hin, die man klären muss, bevor man sich konkret (und sinnvoll) über Dinge wie “Fleisch essen ist notwendig/falsch” unterhalten kann. Das Ganze ist in folgender skizzierter Liste geendet:

1 Was ist Ethik?

1.1 Wen betrifft Ethik?

1.2 Gibt es eine objektive Ethik?

1.3 Kann man überhaupt Grenzen ziehen?

2 Was ist die Natur von Tieren und Menschen?

2.1 Sind Menschen sehr viel anders als Tiere?

2.2 Haben Tiere Bewusstsein?

2.2.1 Was ist Bewusstsein?
2.2.2 Können wir Bewusstsein überhaupt definieren?
2.2.3 Ist das Bewusstsein von Tieren anders als das von Menschen?

2.3 Gibt es Unterschiede zwischen Menschen, die denen zwischen Mensch und Tier ähneln? (Säuglinge, Kranke, Greise)

2.3.1 Was ist ein “vollwertiger” Mensch?
2.3.2 Was ist “Krankheit”/”Kindheit”?

2.4 Was ist das Verhältnis von Bewusstsein, Schmerz und Verantwortung?

3 Was “braucht” der Mensch?

3.1 Was ist “gesund”?
3.1.1 Wer bestimmt das?
3.1.2 Wie sicher/präzise ist die Bestimmung?

3.2 Was ist “der Mensch an sich”?

… usw. usf.

Das Problem an jeder Diskussion ist doch, dass so viele Dinge auf Vorannahmen basieren, die man nicht diskutiert, dass man im Zweifel aneinander vorbeiredet. Wenn ich davon ausgehe, dass der Mensch nunmal Fleisch braucht, dann lasse ich mich kaum vom Vegetarismus überzeugen. Wenn ich davon überzeugt bin, dass eine kleine statistische Erhöhung von Vitalwerten bei Fleischkonsum bedeutet, dass der Mensch Fleisch braucht, dann gilt dasselbe. Wenn ich die Ansichten meines gegenüber kennen würde, müsste ich also nicht über die Vorzüge des Vegetarismus diskutieren, sondern darüber, ab wann diese statistische Erhöhung aussagt, dass Fleischkonsum nötig ist.

Aber das ist in den seltensten Fällen leistbar, deshalb diskutiere ich das normalerweise auch nicht.

Meinungen?

 

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6 thoughts on “Ich diskutiere keine Tierrechte”

  1. Finde die Liste sehr brauchbar. Die Schlussfolgerung überzeugt mich weniger. Warum sollte es nicht möglich sein, das zu leisten? Klar wird höchstwahrscheinlich irgendein Aspekt immer nur, in Ausmaß oder Qualität, unzureichend diskutiert werden, aber das ist bei jedem anderen Thema ja auch so. Sollten wir nicht mehr über Steuergerechtigkeit diskutieren dürfen, weil wir vorher erst klären sollten, was den nun “gerecht” ist (progressive Steuersätze, weil Höhe der Lasten entsprechend Stärke der Schultern, oder ein Pauschalsatz, weil die absolute Höhe der Abgaben ja auch hier mit der Höhe des Einkommens steigt? Sind höhere Steuern für Reiche ein Ziel an sich, oder nur Mittel zum Zweck?) Die Tatsache, dass jeder denkbare Sachverhalt genug Inhalt liefert um damit zig Mal zu promovieren kann ja nicht bedeuten, dass sich eine Diskussion erübrigt.

     
  2. Ich finde nur, dass hier deutlich mehr verschiedene Welten aufeinander prallen und es schwieriger ist, sich über dasselbe Thema zu unterhalten, als bei anderem Themen.
    Steuergerechtigkeit diskutiere ich im übrigen auch nicht außerhalb von Ethikseminaren, wenn überhaupt, dann konkrete Steuerreformen – und da kann man sich dann ganz gut darauf einigen, um welche Aspekte es gerade geht.
    Wenige Menschen erwarten eine grundlegende Diskussion um Steuergerechtigkeit, die meisten haben konkrete Vorstellungen von Steuerpolitik, über die sie diskutieren – bei Tierrechten geht es aber normalerweise gleich ums ganze, ums abstrakte, ums normative. Ich kann mir anschauen, ob Steuerpolitik Arbeitsplätze schafft oder soziale Ungleichheit fördert, eine Tierrechtsreform kann ich aber nicht auf dieser – ersten – Ebene evaluieren, sondern ich MUSS gleich ins normative abdriften.

     
  3. Nun, es gibt schon eine Diskussiosbasis, nämlich die Empirik.

    Wenn jemand eine Behauptung aufstellt, wie der Mensch braucht Fleisch weil dort die und die Nährstoffe erhalten sind, so kann man dies selbst überprüfen oder auch Alternativen aufzeigen usw.

     
  4. Eben nicht. Der Stand der Dinge ist in etwa: Fleisch kann im Schnitt gut sein für bestimmte Dinge und schlecht für andere. Ob ich daraus jetzt ablese, dass der Mensch Fleisch braucht (und daraus, dass er Fleisch essen soll), oder dass Fleisch optional ist, hängt weniger von der Güte des Arguments und mehr von meinen Vorannahmen ab.

     
  5. OK, ich fasse mich noch einmal etwas länger:

    Wenn ich von perfekten logischen Argumenten ausgehe, ist die Diskussion dieser, eine Diskussion der Prämisen, nicht nur beim Thema Tierrechte. Ich kann nicht rational begründen welche Vorannahmen bzgl moralischer Werte und Imaterialität richtig sind. Sehr wohl aber Vorannahmen bzgl. materieller Tatsachen, mittels der empirischen Methode.

    Natürlich könnte ich auch die Empirik ablehnen, ebenso die formale Logik. Dann ist die Diskussion sinnlos. Sinn der Diskussion ist es für beide Seiten zu evaluieren, bei einem Grundkonsens bzgl. der empirischen Methode, ob diese Methode im Argument korrekt angewendet wurde, was oftmals der Fall ist. Grund der Diskussion ist ein Dissens bzgl. der Realitätsauffassung beider Parteien.

    Wenn du also mit einem Argument konfrontiert wirst, welches du als empirisch falsch gedeckt erachtest, ist es sinnvoll für dich zu diskutieren, auch wenn du die moralischen Annahmen ablehnst. Wenn das Argument jedoch deiner Ansicht nach empirisch gedeckt ist, ist eine Diskussion tatsächlich sinnlos, auch wenn du die These ablehnst.

     
  6. “Ich finde nur, dass hier deutlich mehr verschiedene Welten aufeinander prallen und es schwieriger ist, sich über dasselbe Thema zu unterhalten[. … I]ch MUSS gleich ins [N]ormative abdriften.”

    Das stimmt wohl. Ich stimme dir auch in der emotionalen Unlust zu, solche Debatten zu führen, weil sie nur in den seltensten Fällen nicht in (zumindest teilweise) bösem Blut enden. Ich habe für mich entschieden, dass ich das Thema diskutiere, wenn ich die Gelegenheit sehe meine Sicht der Dinge zu fördern (oder etwas dazuzulernen), und es lasse, wenn es offensichtlich (manchmal lässt sich das gut am Gegendiskutanten ablesen) unproduktiv bleiben wird.

    Und die physiologische Empirie des Fleischessens finde ich hier relativ überbewertet, da die Fragestellung “Ist Fleischverzehr notwendig oder nicht?” zwar durchaus verwandt ist mit, andererseits aber eben nur eine keinesfalls-all-dieselben-Aspekte-abdeckende Stellvertreterfrage ist für die eigentliche Frage “Darf man (andere) Tiere (als den Menschen) töten?”

     

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