(7) Warum ich Linksradikale nicht leiden kann

Wie, was, wo, habe ich wirklich jede linke Strömung gebasht, ohne ganz allgemein auf die weit links stehenden einzugehen? Zeit, mal auf alles draufzuhauen, was in der Partei die Linke oder sogar links von ihr, außerparlamentarisch, heimisch ist!

Wer kennt sie nicht – Witze über die Spaltungsfreudigkeit der Linken im allgemeinen. Allein die SPD hat sich mehrmals gespalten; USPD, KPD und SPD gab es zeitweise. Auch nach dem Krieg suchte die Linke sich möglichst viele Themen, um sich gründlich zu zerstreiten. Haltung zur Sowjetunion; (Wieder-)Aufrüstung und Pazifismus; Ökologie oder Industrie; neue soziale Bewegungen und Parteien; Sozialstaat, Sozialismus oder Staatsfeindlichkeit – das sind nur einige Schlagwörter zu Differenzen innerhalb der Linken.

Differenzen gibt es nun in jeder politischen Strömung; die Begriffe sind bestenfalls Sammelbegriffe. Das ändert aber nichts daran, dass die Linke besser ist als jede andere Strömung, sich bis in die Dysfunktionalität zu streiten. Das gilt jedenfalls für die antiautoritäre Linke, die strikt kommunistische, parteihörige Linke ist mittlerweile zum Glück marginalisiert.

Der Linksradikale schafft es, eine grundsätzlich wichtige Frage zu stellen: Wie verhalten sich Freiheit und Besitz? Könnte Besitz Freiheit beeinflussen und sogar wichtiger sein bei der Gesellschaftsanalyse? Leider bleibt er meistens auch an dieser Stelle hängen. Anstatt weiter zu denken, bleibt er in der Proto-Marxistischen Rhetorik hängen, derzufolge eine Enteignung die einzige Lösung ist. Er konzentriert sich auf die Lösung, überspringt dabei aber gerne die Analyse.

Der Linksradikale hat seinen Marx nicht gelesen, aber überflogen. Und alles, was irgendwann irgendwie passiert ist, wurde von Marx vorhergesehen. Mittelschicht? Wird erwähnt. Differenzierte Schichten? Kann man irgendwie ableiten. Finanzmärkte? Hat Marx vielleicht nicht explizit erwähnt, aber einige Prinzipien aus seinen Werken lassen sich übertragen. Informationsgesellschaft? Hat Marx irgendwie indirekt erwähnt. Marx wird damit von einem wichtigen Analytiker seiner Zeit zu einem fast schon religiös aufgeladenen Allgemein-Theoretiker, den man immer und immer wieder anbringen kann.

Wieso auch Negri, Chomski und andere moderne Marxisten lesen? Warum sich nicht gleich davon lösen und komplett andere Ansätze anwenden, um die soziale Frage zu thematisieren? Achnee, im Zweifel sind das indoktrinierte Kapitalisten. Ich vergaß.

Wenn der Linksradikale grad nicht Theoriedebatten führt, geht er am liebsten demonstrieren. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an den lieben Vater Staat: Tausende von Lehramtsstudenten, die in den 70ern nicht eingestellt wurden, hatten eine zusätzliche Motivation und besonders viel Zeit, Demonstrationen zu organisieren. Ein wunderbares, staatliches Förderprogramm für die APO!

Das Berufsdemonstrantentum führt aber auch dazu, dass man schnell mal nicht ernst genommen wird. Wenn man jemandem auf der 15. Demo begegnet ist, nimmt man ihm die Empörung über dieses spezifische Thema irgendwie nicht mehr ab. Und wenn die Fahne einer bestimmten Organisation wirklich immer mitschwingt, berichten irgendwann auch Medien nichtmehr wirklich darüber.

Der Linksradikale schwärmt immer gerne von seinem Internationalismus, der, anders als bei den Sozen, noch echt ist und von Herzen kommt. Dazu folgende Anekdote: Ein junger Mann mit einer Fahne der Grünen, sieht leicht südländisch aus, wird von einem vermeintlichen Kommunisten (Arbeitermütze, viel rot und entsprechende Demo) angesprochen, warum er denn diese spezifische Fahne trägt. Auf den verwirrten Blick des Fahnenträgers heißt es sinngemäß: “In deinem Land weht doch auch nicht diese Fahne, sondern die rote!” Merken wir uns also: Als PoC kann man sich nicht mit deutschen Parteien identifizieren, man hat sich mit Parteien aus der vermeintlichen Heimat zu identifizieren.

Ja, sowas nennt man (extremst freundlich formuliert) Eurozentrismus. Aber das hätte man ihm bestimmt nur schwer erklären können, weil er kämpft ja für die gute Sache. Darum wird auch gerne geleugnet, dass es sowas wie linken Antisemitismus gibt – weil Antisemitismus per Definition keine linke, sondern rechte Sache ist. Das aber ist nicht nur eine Tautologie, sondern vor allem eine Verharmlosung von Antisemitismus. Und das kann man auch für Rassismus, Sexismus oder sogar Klassizismus fortsetzen.

Das schönste an linken Treffs? Wenn ein Haufen Kinder aus der oberen Mittelschicht mit Papis Wagen ankommen und anschließend den echten Arbeiterkindern erklären wollen, was gut für sie ist. Kommt immer wieder gerne vor und trägt nicht gerade dazu bei, die marginalisierten Massen zu mobilisieren, die doch vertreten werden sollen.

Linke Bewegungen schaffen es immer mal wieder, sinnvolle und wichtige Themen in die Parteien hineinzutragen. Sie bieten teilweise in Kollektiven und Organisationen wichtige Infrastrukturen, um Menschen konkret zu helfen oder gegen skandalöse Gesetze zu mobilisieren. Sie schaffen es auch ab und zu, etwas wirklich neues beizutragen oder gute gesellschaftliche Analysen und Lösungsansätze hervorzubringen.

Meistens aber verlieren sie sich im Selbstmitleid angesichts historische Niederlagen; vom L-L-Day über Parteiverbote oder das Berufsverbot in den 70ern bis hin zum Ende der Sowjetunion oder den “Verrat” durch etablierte Parteien. Die Grenze zwischen wichtiger Mobilisierung und sinnloser Randale verschwimmt regelmäßig, was sich vor allem am 1. Mai gerne mal beobachten lässt.

 

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