Haben beim Umfallen umfallende Umfaller Stehvermögen?

Oder sind sie zumindest vernünftig bzw wählbar? Das muss man sich jedenfalls bei den aktuellen Gesprächen zur Finanzmarktssteuer fragen.

Nochmal als Erinnerung, wofür die FDP 2008 so stand:

WELT ONLINE: Nicht der Markt hat versagt, sondern der Staat?

Westerwelle: Der Staat ist für die Rahmenbedingungen der Wirtschaft zuständig. Wir Liberale bejahen den Staat, sonst wären wir ja Anarchisten. Wir wollen sogar einen starken Staat. Aber der Staat kann nur dann stark sein, wenn er sich auf seine Kernaufgaben konzentriert und der Wirtschaft einen guten Rahmen vorgibt.

WELT ONLINE: Werden Sie die FDP nun als klare marktliberale Partei positionieren, die Interventionen des Staates entschieden ablehnt?

Westerwelle: Die FDP hat bereits vor Jahren Transparenzregeln angemahnt. Man muss die Vorgänge in Amerika fein säuberlich von denen bei uns trennen. In den USA hat es fast keine Staatsaufsicht gegeben. In Deutschland gibt es dagegen eine Staatsaufsicht, die ihrer Aufgabe im Bereich der öffentlichen Banken nicht nachkam. Hier sind nicht die privaten Banken das Problem. Bei uns versagen die Staatsbanken und die Regierungspolitiker in deren Aufsichtsgremien.

WELT ONLINE: Würden Sie Gier als notwendige Antriebskraft des Kapitalismus bezeichnen?

Westerwelle: Nein, Gier entspricht nicht meiner humanistischen Einstellung. Ehrgeiz und Leistungsbereitschaft sind gute Triebkräfte einer Volkswirtschaft und damit für Wohlstand und soziale Gerechtigkeit.

Ergo, Transparenz, Ausschöpfen bereits vorhandener Möglichkeiten der Regulierung sowie ein Wertewandel sind ausreichend, um aus der Krise zu kommen. Finanztransaktionen besteuern? Eine Tobin-Steuer, wie sie attac forderte? Unmöglich, das waren die bösen linkslinken Sozialisten, 68iger und Träumer. Das wirtschaftliche Argument gegen diese ist schnell zusammengefasst – kleinere Transaktionen wirkten korrigierend auf Kurse ein und schafften Liquidität, die der Gesamtwirtschaft zugute käme. Sie zu verhindern wäre also kontraproduktiv, und, was wohl das beste Argument war, bisher unerprobt. Der Effekt ist also schwer vorherzusagen.

Franke Schäffler hat das ganze einmal so zusammengefasst:

Nur eine Partei leistet weiter Widerstand. Die FDP findet den ganzen Ansatz grundsätzlich falsch. Die Märkte seien auch gar nicht Schuld an der Krise, sagt Frank Schäffler – selbst Berater für einen großen Finanzdienstleister: „Die politische Linke in diesem Land unterhält sich über die Symptome der Krise. Aber damit werden Sie künftige Krisen nicht vermeiden. So eine Steuer ist eigentlich nur ein Ablenkungsmanöver, was am Ende dazu führt, dem Staat zusätzliche Einnahmen zu bescheren. Wir sind angetreten die Steuern zu senken und nicht zu erhöhen. Das ist die Politik der FDP.“ sagt der Obmann der FDP-Fraktion im Finanzausschuss.

Sei die Steuer erst einmal eingeführt, gäbe es kein Halten mehr, fürchtet Schäffler. Zusätzliche Einnahmen würden den Staat nur vom Sparen abhalten. Außerdem treffe die Transaktionssteuer sowieso die Falschen. „Sie trifft die kleinen Sparer und die haben mit dieser Krise nichts zu tun. Wieso soll der Kleinsparer mit seinem Riester-Vertrag diese Krise bezahlen?“, so Schäffler.

Die FDP war nun das eine; aber auch Mama Merkel sprach sich dagegen aus – weniger, weil sie gegen eine solche Steuer war, sondern eher aus Rücksicht auf den Koalitionspartner und vor allem weil sie keine internationale Durchsetzbarkeit sah.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht keine Chance für die Einführung einer internationalen Finanztransaktionssteuer. Der Internationale Währungsfonds (IWF) habe auf deutschen Druck eine solche Steuer geprüft und sich dagegen ausgesprochen, sagte Merkelauf dem Bundeskongress des Deutschen Gewerkschaftsbunds in Berlin. Sie sehe daher keine Möglichkeiten mehr, die Steuer international durchzusetzen.[…]Die Kanzlerin plädiert vielmehr für die vom IWF empfohlene Finanzaktivitätssteuer, die auf die Gewinne von Finanzunternehmen oder auf Gehaltszahlungen wie etwa Managerboni erhoben werden soll.

Und was passierte jetzt? Man möchte ganz gerne das Hilfspaket für Griechenland so schnell wie möglich durchkriegen. Die SPD hat besagte Steuer zur Bedingung gemacht für ihre Zustimmung, die Landtagswahl ist verloren und es sieht nach einer großen Bundesratskoalition aus – und die CDU hat einen Grund, auf einmal die Finanztransaktionssteuer zu fordern. Wo ist die große FDP, die vor Kraft kaum gehen kann? Wo ist Schäuble, der Pragmatiker? Erstere schweigt, letzterer spricht dem Projekt die Realisierbarkeit ab. Und dann wird Dienstag gefordert, diese Steuer so bald wie möglich international umzusetzen. Billige Worte, die die Umfragewerte verbessern und die Zusammenarbeit mit der Opposition erleichtern sollen? Ja. Gleichzeitig aber das Ende der kurzen Geschichte einer großen, mächtigen FDP, die sich aufmacht, das politische Berlin zu ändern und Reformen durchzusetzen in ihrem, also in einem marktwirtschaftlichen Sinne. Stattdessen ist das ein weiteres Kapitel in der Geschichte der Mama Merkel – der Kanzlerin mit Herz, die sich auch linker Themen annimmt, und natürlich auch die Geschichte der Volkspartei CDU, die weiter neue Schichten erschließen will. Heiner Geißler durften wir ja schon bei attac begrüßen.

Achja, und was ist mit Schäffler? Schon klar, der Herr von weiter oben, der das Programm der FDP mitbestimmt hat und ein vehementer Gegner dieser Steuer war. Nun, der fällt um – weil seine Partei umfällt. Um also auf den Anfang zurückzukommen – Schäffler ist jemand ohne eine fundierte Meinung, aber jemand, der zu dieser steht. Und das verdient auch ein klein wenig Respekt.

 

Flattr this!

Juhu! Jemand, der nicht bei facebook kommentiert! Oldschool!