Kricket als Symptom für eine internationale Krise

Es ist soweit – die Paranoia ist endgültig angekommen in Indien. Jedenfalls ist das laut der neusten Tagesschaumeldung zu befürchten, Indien wolle die Spiele 10. April bis zum 24. Mai im Ausland austragen lassen. Was zunächst nur wie eine, angesichts eines Anschlags auf eine sri-lankische Kricket-Mannschaft in Pakistan angemessene, Reaktion auf den zunehmenden Terrorismus erscheinen will, ist doch symptomatisch für die jüngsten Entwicklungen in “Südostasien”, wie der indische Subkontinent (und teilweise auch Afghanistan) gerne umschrieben werden.

Einen ungefähren Anfangspunkt für die “jüngsten Entwicklungen” könnte man wohl in etwa beim Anschlag in Mumbai ansetzen, bei dem über 100 Menschen starben, noch mehr verletzt wurden und der einen landesweiten Schock verursachte.

Pakistan stecke dahinter, so lautete damals der kaum verhohlene Vorwurf. Und Pakistan solle sich gefälligst an den Ermittlungen beteiligen. Das tat Pakistan glücklicherweise auch und nahm mehrere der Drahtzieher fest; gleichzeitig räumte die Regierung auch ein, dass die Anschläge wohl mit auf pakistanischem Boden geplant worden waren, ein Eingeständnis, das von indischer Seite mit Wohlwollen betrachtet wurde. Endlich schien Pakistan Fortschritte zu machen!

Man befürchtete damals, dass die Anschläge das Ziel hatten, die indisch-pakistanischen Annäherungsversuche zu untergraben und pakistanisches Militär an der Grenze zu Indien zu binden und damit die Taliban an der Grenze zu Afghanistan zu entlasten. Dieser Plan schien nicht aufzugehen. Doch dann gab es das umstrittene Waffenstillstandsabkommen mit den Taliban im Swat-Tal, das das Bild von der mit militanten Islamisten kooperierenden pakistanischen Regierung zu bestätigen schien. Und es gab natürlich bereits erwähnten Anschlag auf das sri-lankische Kricket-Team, dass wohl das Vertrauen Indiens in jegliche Sicherheitsmaßnahmen gegen Terrorismus endgültig unterminierte. Wenn nicht Pakistan, die Wiege der Taliban und anderer extremistischer Organisationen, mit seinen Verflechtungen des Geheimdienstes in die Talibanstrukturen der Gefahr Herr werden konnte, was könnte dann Indien dagegen ausrichten? Vor allem, da die Anschläge in Mumbai sehr wahrscheinlich ein Bewusstsein für die Lücken im Sicherheitssystem Indiens hinterlassen hat.

Doch was heißt das nun für die internationale Politik?
Das hängt davon ab, wie Pakistan dieses Ereignis deuten wird. Zunächst einmal könnte dies zu weiteren Anschuldigungen in Richtung Pakistan führen, die die schon seit einiger Zeit aufgeheizte Stimmung zwischen beiden Staaten noch weiter verschlechtern könnten. Darüber hinaus hat aber gerade Kricket noch einen besonderen Symbolcharakter – dies könnte den Ernst der Lage auch in pakistanischen Augen deutlich machen und über den Umweg der Zivilbevölkerung (“Kricketpolitik”) langfristig zu einem Umdenken der Politiker führen. Denn ohne eine Verbesserung der indisch-pakistanischen Verhältnisse wird der Kampf gegen den Terrorismus nicht erfolgreich sein, da Pakistan sich – ähnlich wie bisher – nicht eindeutig von den Terroristen als seinem letzten Trumpf distanzieren wird. Die indisch-pakistanischen Beziehungen werden also ein Gradmesser für die Lage bezüglich des Terrorismus sein – und möglicheriwese hat Indien diese nun nachhaltig geschädigt, jedenfalls wenn es entsprechende Reaktionen aus der indischen Bevölkerung geben sollte. Es könnte aber auch sein, dass Indien den Stein des Anstoßes angetippt hat, mit dem man Pakistan zur Umkehr bewegen kann – nicht zuletzt durch eine kluge US-Außenpolitik, die ihn noch endgültig umwerfen müsste. Mal ganz bildlich gesprochen.

 

Flattr this!

Juhu! Jemand, der nicht bei facebook kommentiert! Oldschool!